Compliance: Landesliga oder Champions League?

Die OMV ließ ihr Compliance-Management nach deutschen Regeln prüfen.
Die OMV ließ ihr Compliance-Management nach deutschen Regeln prüfen.(c) Clemens Fabry
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Geschäftsethik: Als erstes Unternehmen ist Rosenbauer nach der neuen ON-Regel zertifiziert. Die OMV setzt lieber auf deutsche Gründlichkeit.

Wien. Vor acht Monaten präsentierte das Austrian Standards Institute mit Stolz neue Normen für Compliance-Management-Systeme (CMS). Mit dieser ON-Regel 192050 werde Österreich international zu einem Vorreiter in Sachen Compliance, so die Vertreter von Austrian Standards. Die Wirtschaftskammer zeigte sich jedoch über diese Form des Vorreitertums alles andere als begeistert. Österreich sei ohnehin ein Land mit sehr hoher Regelungsdichte. Ein weiteres Regelwerk würde gerade Klein- und Mittelbetriebe nur unnötig belasten, sagte Christoph Schneider, Abteilungsleiter der Stabstelle Wirtschaftspolitik, damals.

Bisher hat sich in ganz Österreicher nur ein Unternehmen, die Rosenbauer International AG, nach der ON-Regel zertifizieren lassen. Was passiert, wenn es kein funktionierendes Compliance-Management gibt, konnte der Hersteller für Feuerwehrtechnik hautnah erleben. Erst 2011 war die deutsche Tochter in ein Kartellverfahren verwickelt und hatte damit ein veritables Problem am Hals. „Wir haben seitdem viel unternommen und verbessert“, sagt Compliance-Manager Wolfgang Stroh. „Aber es reicht ja nicht, wenn wir selbst behaupten, dass wir ,compliant‘ sind. Wir wollten auch eine externe Bestätigung.“

Vertragspartnern, Investoren und Behörden zu zeigen, dass gesetzeskonformes Verhalten im Unternehmen eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist das Motiv jedes Betriebs, der sich einer Zertifizierung stellt. Für internationale Konzerne wird es immer mehr zu einem Muss, den Nachweis zu erbringen, dass es an der eigenen Geschäftsethik absolut nichts auszusetzen gibt.

Diese Erfahrung hat auch die OMV schon gemacht. „Ob es um den Erwerb von Lizenzen, Verhandlungen mit Investoren oder um Finanzierungen geht, in solchen Situationen ist es sehr vorteilhaft, wenn man auf einen etablierten Standard verweisen kann“, sagt Robert Eichler, Chief Compliance Officer der OMV.

Deshalb hat sich der Mineralölkonzern auch dazu entschlossen, das eigene Compliance-Management-System prüfen zu lassen. Seit Juli kann sich das Unternehmen nun auch Vorreiter nennen. Es ist das erste ATX-Unternehmen in Österreich, das sich nach dem Prüfungsstandard des Instituts der deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) durchleuchten ließ.

„ON-Regel fehlt es an Tiefe“

Als man sich zur Prüfung entschloss, gab es die österreichische Variante noch gar nicht. Doch als Alternative wäre sie für den Konzern ohnehin nicht infrage gekommen. Eichler hält das Werk für zu wenig profund und für ungenau. „Der eigentliche Inhalt der ON-Regel beschränkt sich auf zweieinhalb Seiten. Allein das zeigt, dass es an Tiefe fehlt“, sagt er. Im Unterschied dazu seien die IDW-Standards wesentlich ausführlicher: „Der IDW legt nicht nur die Grundelemente von CMS umfassend fest, sondern schreibt auch vor, wie und nach welchen Kriterien der Prüfungsprozess abzulaufen hat.“

Klar ist auch, dass nur Wirtschaftsprüfer zur Kontrolle befugt sind. „In der ON-Regel hingegen wird über die Prüfung lediglich gesagt, sie habe unparteilich und objektiv zu erfolgen. Auch die Qualifikation der Auditoren wird nicht exakt definiert“, kritisiert Rechtsanwalt Clemens Hasenauer.

Austrian Standards spricht lediglich von „erfahrenen Leuten auf dem Gebiet Compliance-Management“. Dass nach dem deutschen Verfahren nur Wirtschaftsprüfer zertifizieren dürfen, spricht für dessen Qualität, findet Hasenauer: „Risikoidentifizierung und -management sind Themen, mit denen sich ein Wirtschaftsprüfer bei jeder Abschlussprüfung auseinandersetzen muss. Wenn er also im Prozess einen Fehler erkennt, spricht einiges dafür, dass es auch einer ist.“ Ob sich das österreichische Modell bei internationalen Unternehmen als Standard etablieren wird, bezweifelt er – und Eichler auch: „Die entscheiden sich doch lieber für die Champions League und nicht für die Landesliga. Eventuell ist die ON-Regel ja für kleinere Betriebe interessant.“

„Audit an drei intensiven Tagen“

Nun ist Rosenbauer nicht gerade ein kleines Unternehmen. Es zählt um die 2000 Mitarbeiter und ist in 100 Ländern vertreten. „Für deutsche Verhältnisse sind wir dennoch klein“, sagt Stroh. „Der deutsche Standard scheint mir auf wirklich große Unternehmen zugeschnitten“, meint er.

Als er hörte, dass es in Österreich bald eine Zertifizierung geben soll, die auch oder gerade Klein- und Mittelbetriebe im Fokus hat, war für ihn die Entscheidung klar. Die Prüfung selbst fand in einem zeitlich überschaubaren Rahmen statt. An einem Tag kamen die Auditoren, um festzustellen, ob Rosenbauer schon reif für eine Zertifizierung sei. Das eigentliche Audit habe dann an „drei intensiven Tagen stattgefunden“, sagt Stroh. Einige wenige Aufgaben waren nachzutragen, dann hatte man die Urkunde in der Tasche.

Die Compliance-Prüfung in der OMV hingegen erstreckte sich über ein knappes Jahr. Die Wirtschaftsprüfer nahmen nicht nur den österreichischen Standort unter die Lupe, sondern tauchten auch an den Niederlassungen in Rumänien und Kasachstan auf.

Wie groß die Unterschiede der Verfahren auch sein mögen, beide Unternehmen sind mit dem Ergebnis zufrieden. Stroh hofft freilich auf baldige Gesellschaft: „Wenn wir auf Dauer die einzigen Zertifizierten blieben, wäre das natürlich eine Entwertung.“ Das wird wohl nicht passieren. Laut Austrian Standards laufen bereits weitere Prüfungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2013)

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