Doppelte Nichtbesteuerung: Dem EU-Recht vorgegriffen

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Einen Teil der europäischen Vorhaben gegen Steuerschonung im Konzern hat Österreich bereits erfüllt.

Wien. Leere Staatskassen, anhaltende Diskussionen um aggressive Steuerplanung im multinationalen Kontext zwingen auch die Europäische Union zum Handeln: Ein Vorschlag zur Verschärfung der Mutter-Tochter-Richtlinie wurde Ende November von der Europäischen Kommission veröffentlicht.

Aggressive (wenngleich in vielen Fällen legale) Steuerplanung ist in aller Munde: Steuerplanung in Form der Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlagen stand in den letzten Monaten ganz oben auf der Tagesordnung der G20- und G8-Treffen, sowie bei der OECD, die erst im Juli dieses Jahres den Aktionsplan gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen von multinational tätigen Unternehmen (Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) veröffentlicht hat. Die Europäische Kommission nahm Ende 2012 den Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung an. Der Druck wächst, sowohl im internationalen Kontext (wie zum Beispiel bei Verhandlungen von Doppelbesteuerungsabkommen, Informationsaustausch, EU) als auch auf nationaler Ebene entsprechende Schritte zu setzen.

Dividenden an die Mutter

Die Europäische Kommission hat nun am 25.November 2013 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2011/96/EU über das gemeinsame System der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (kurz: Mutter-Tochter-Richtlinie) veröffentlicht. Ziel der Mutter-Tochter-Richtlinie ist die Beseitigung einer Doppelbesteuerung innerhalb Europas: Gewinne einer Kapitalgesellschaft unterliegen der Körperschaftsteuer. Schüttet eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft ihre Gewinne an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft aus, behält sie keine Kapitalertragsteuer ein. Die erhaltene Gewinnausschüttung ist bei der empfangenden Muttergesellschaft von der Körperschaftsteuer befreit.

Auf Grundlage der aktuellen Fassung der Mutter-Tochter-Richtlinie wenden Mitgliedstaaten innerstaatliche oder vertragliche Bestimmungen zum Kampf gegen Betrug und Missbrauch an. Konsequenz: Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Missbrauchsvermeidung mit unterschiedlichen Zielen.

Kampf gegen Missbrauch

Eine (von mehreren) in Österreich einschlägige Bestimmung zur Verhinderung von Missbrauch ist §22 der Bundesabgabenordnung (BAO): Gestaltungen, die ungewöhnlich, unangemessen und nur aufgrund der erzielten Steuerersparnisse verständlich sind, gelten als missbräuchlich. Denkt man sich den steuersparenden Effekt weg und erscheint die Gestaltung nicht mehr sinnvoll, liegt Missbrauch vor. Derartige künstliche Konstrukte werden nicht anerkannt. Ein sogenannter außersteuerlicher Grund ist erforderlich. Die Rechtsprechung verlangt für die Anwendung von §22BAO eine Kette von Rechtshandlungen.

Nun soll auch eine allgemeine Vorschrift zur Verhinderung künstlicher Steuergestaltungen in die Mutter-Tochter-Richtlinie aufgenommen werden. Im Unterschied zur innerstaatlichen Missbrauchsvorschrift könnte dem Wortlaut des Änderungsvorschlags zufolge bereits eine einzige Gestaltung zum Missbrauch führen. Bewirkt der Änderungsvorschlag der Mutter-Tochter-Richtlinie eine Erweiterung des nationalen Missbrauchstatbestandes des §22BAO? Der Wortlaut könnte dafür sprechen. Eine Ausweitung des ohnehin schon sehr weiten nationalen Missbrauchstatbestandes führte bei den steuerpflichtigen Unternehmen zu weiteren Unsicherheiten.

Durch die Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie und die Schaffung einer einheitlichen Missbrauchsbestimmung wird auch der Weg zum Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erleichtert, der hoffentlich für eine einheitliche Vorgehensweise in den Mitgliedstaaten sorgt und somit bestehenden Unsicherheiten entgegenwirkt.

Durch Einsatz hybrider Finanzierungsinstrumente (zum Beispiel Genussrechte oder gewinnabhängige Darlehen) wird die Mutter-Tochter-Richtlinie ausgenutzt. Hybride Finanzierungsinstrumente weisen sowohl Fremd- als auch Eigenkapitalelemente auf. Kapital wird im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft als Fremdkapital behandelt, die Zinszahlungen an eine Muttergesellschaft sind dort steuerlich abzugsfähig. Der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft behandelt die Zinsen als Dividende, die unter der Mutter-Tochter-Richtlinie steuerfrei sind. Die Folge: doppelte Nichtbesteuerung.

Zur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung sehen der BEPS-Aktionsplan und nun auch der Änderungsvorschlag der Mutter-Tochter-Richtlinie vor, dass Zahlungen, die im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft abzugsfähig sind, in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist. Die doppelte Nichtbesteuerung wird dadurch unterbunden. Österreich hat hier eine Vorreiterrolle übernommen, bereits seit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde eine solche Bestimmung in das Körperschaftsteuergesetz integriert.

Die Änderungen sollten bis zum 31.Dezember 2014 in den einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Ob der Vorschlag der Kommission die nötige Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten noch vor den EU-Wahlen im Mai 2014 findet, kann bezweifelt werden.

Beteiligungsschwelle gesenkt?

Die Kommission weist in ihrer Begleitunterlage zum Änderungsvorschlag darauf hin, dass im Rat der Vorschlag anhängig ist, die in der Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren vorgesehene Beteiligungsschwelle von derzeit 25% an die 10% in der Mutter-Tochter-Richtlinie anzupassen. Diese Herabsetzung ist aus Sicht der heimischen Unternehmen zu begrüßen.


Mag. Gerald Schachner ist Partner bei bpv Hügel und sowohl als Rechtsanwalt als auch als Steuerberater zugelassen. Dr. Kornelia Wittmann, LL.M. ist als Rechtsanwältin (RAK München) und Steuerberaterin in derselben Kanzlei tätig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2013)

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