Aufzugskartell: ÖBB können auf Schadenersatz hoffen

Fotolia
  • Drucken

Generalanwältin Kokott hält den Ausschluss einer Haftung von Kartellanten für Preisschirmeffekte bei Kartellaußenseitern für unzulässig.

Beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bahnt sich eine Weichenstellung für das Kartellrecht in Europa an. Generalanwältin Juliane Kokott spricht sich in ihren heute veröffentlichten Schlussanträgen zu einem österreichischen Fall (C-557/12 – Kone AG u.a.) dafür aus, Kartellmitglieder auch für Schäden haftbar zu machen, die Kartellaußenseiter herbeigeführt haben. Die ÖBB-Infrastruktur AG, die das Verfahren in Österreich betrieben hat, kann nun auf Ersatzzahlungen hoffen, die nach österreichischem Recht nicht vorgesehen wären. Die Schlussanträge der Generalanwältin sind allerdings für den Gerichtshof nicht verbindlich, und selbst wenn dieser ihnen folgen sollte, hätte noch der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien zu klären, worauf sich der Schadenersatz konkret erstreckt.

"Umbrella Pricing"

Man nennt das Phänomen „Preisschirmeffekt“ oder, auf Englisch, „Umbrella Pricing“. Ihm liegt die Beobachtung zu Grunde, dass Unternehmen, die selbst nicht an einem Kartell beteiligt sind, gleichsam unter dem Schirm des Kartells höhere Preise erzielen: Dank der tendenziell preissteigernden Absprachen der Kartellen verlangen sie, wissentlich oder unwissentlich, mehr, als sie unter sauberen Wettbewerbsbedingungen verlangen könnten.
Vor dem Hintergrund des Aufzugskartells klagten nun die ÖBB, dass sie bei Kartellaußenseitern überhöhte Preise für Aufzüge gezahlt hätten. Sie klagten die vier am Kartell beteiligten Unternehmen (Kone, Otis, Schindler, ThyssenKrupp) auf Schadenersatz. Der OGH sah dafür nach heimischem Recht keine Möglichkeit; er war sich aber nicht sicher, ob dies auch dem Unionsrecht entspricht, und fragte deshalb beim EuGH nach.

Preisschirmeffekte vorhersehbar

Tatsächlich hält Kokott einen kategorischen Ausschluss einer Haftung von Kartellanten für Preisschirmeffekte für unzulässig. Diese Effekte seien für die Beteiligten eines Kartells nicht generell unvorhersehbar, und ihre Wiedergutmachung entspreche der Zielsetzung des unionsrechtlichen Kartellverbots. Es würde der praktischen Wirksamkeit dieser Wettbewerbsregeln widersprechen, wollte man den Ersatz solcher Schäden im Rahmen des nationalen Zivilrechts kategorisch ausschließen. Freilich: Es sei im Einzelfall konkret zu prüfen, ob kartellbedingt Preisschirmeffekte aufgetreten sind. Sollte der EuGH den Schlussanträgen folgen – was er oft, aber keineswegs immer tut –, dann wird die Erhebung des Schadens noch eine schwierige Aufgabe.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.