Erst angelockt, dann abgezockt

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Mit dem heute im Nationalrat zu beschließenden Steuerpaket werden Konzerne erneut stärker zur Kassa gebeten. Konzerne, um die man vor Jahren noch geworben hat.

Wien. Vor zehn Jahren wurde in Österreich der Körperschaftsteuersatz auf 25 Prozent gesenkt und ein Gruppenbesteuerungsregime eingeführt, um Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. Im Rahmen der Gruppe sollten nicht nur Gewinne mit Verlusten verrechnet werden können, sondern sollte auch (wie bei Unternehmenskäufen) eine Firmenwertabschreibung über 15 Jahre zustehen. Zugleich wurden die Zinsen für die Fremdfinanzierung von Beteiligungserwerben für abzugsfähig erklärt. Laut Gesetzesmaterialien sollten vor allem Headquarters nach Österreich gelockt werden. Dieses Wirtschaftsförderungspaket hat gewirkt: Viele internationale Unternehmen verlagerten Konzernfunktionen in unser Land. Bis 2013 wurden mehr als 3700 Unternehmensgruppen gebildet.

Neider nehmen aber bloß die „Steuerprivilegien“ wahr: Sogar der Rechnungshof wies die Ergebnissaldierung in Gruppen als Einnahmenausfälle aus. Übersehen wird dabei, dass die gewinnmindernd berücksichtigten Auslandsverluste wie auch die abgeschriebenen Firmenwerte später nachzuversteuern sind, die Steuern also nur gestundet werden. Außerdem können Einnahmen nur insoweit „ausfallen“, als sie vorher überhaupt entstanden sind oder zumindest wären (also nicht, wenn ein Unternehmen erst dank Gruppenbesteuerung Tätigkeiten ins Inland verlagert oder Investitionen getätigt hat).

Viele Konzerne sind in die Falle getappt, denn nach der Anwerbung wurden sie sukzessive abgestraft: Zinsaufwendungen für konzerninterne Beteiligungserwerbe waren quasi über Nacht nicht mehr abziehbar; Nachversteuerung der Auslandsverluste wurde auch bei wirtschaftlichem Scheitern (Liquidation, Betriebseinstellung) angeordnet; die Firmenwertabschreibung wurde im Fall des Erwerbs von Konzernsparten mitunter versagt – um nur einige der bösen Überraschungen zu nennen. Mit dem heute im Nationalrat zu beschließenden Maßnahmenpaket werden einige Konzerne wohl endgültig vergrault. Ein Auszug:
•Die Firmenwertabschreibung auf Beteiligungserwerbe fällt; auch eine bereits begonnene Abschreibung darf nur weitergeführt werden, wenn sie den Kaufpreis der Beteiligung beeinflussen konnte.
•Gruppenmitglieder aus Staaten, mit denen Österreich keine umfassende Amtshilfe vereinbart hat (wie Russland, Indien, China, Japan), sind nicht mehr zugelassen; sie werden mit 1. 1. 2015 aus der Gruppe ausgeschlossen, Verluste sind nachzuversteuern. Betriebsstättenverluste aus solchen Staaten werden jedenfalls nach drei Jahren als (fiktiver) Gewinn zugeschlagen. Obwohl in beiden Fällen ein realer Gewinn oder Mittelzufluss fehlt.
Auslandsverluste von Gruppenmitgliedern können nur mehr mit 75 Prozent des inländischen Gruppeneinkommens verrechnet werden, auch wenn der Konzern ein negatives Ergebnis erzielt.
Zins- und Lizenzzahlungen im Konzern sind nicht mehr abzugsfähig, wenn sie bei der empfangenden Gesellschaft einer Besteuerung von weniger als zehn Prozent unterliegen.
•Gehälter, Sachbezüge, Pensionszahlungen über 500.000 Euro pro Jahr sind vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen. Die Schwelle gilt anteilig: Ist eine Person zu 25 % im Betrieb tätig, tritt Nichtabzugsfähigkeit bereits ab 125.000 Euro ein.
•Zahlungen bei Beendigung des Dienstverhältnisses, wie etwa arbeitsvertraglich zugesicherte Abfertigungen, sind beim Dienstgeber nur mehr abzugsfähig, soweit sie beim Dienstnehmer steuerlich begünstigt sind: Dem Sechs-Prozent-Steuersatz unterliegen je nach Dienstzeit zwischen drei und 15 Monatsbezügen, die mit (derzeit) ca. 13.600 Euro pro Monatsbezug gedeckelt werden. Der übersteigende Betrag unterliegt der Einkommensteuer von 50 % beim Empfänger, erhöht aber gleichzeitig den steuerpflichtigen Gewinn des Dienstgebers, was in eine Steuerquote von 75–100 % ausartet (je nachdem, ob Körperschaft oder natürliche Person). Das Nettoprinzip, wonach nur die Differenz zwischen Einnahmen und den zu deren Erzielung getätigten Aufwendungen besteuert werden soll, wird über Bord geworfen. Offenbar meinen Politiker, das Auszahlen höherer Gehälter sei ein Privatvergnügen des Unternehmers, als würde sich jemand auf Steuerzahlers Kosten einen Ferrari für Spritztouren leisten. Laut Ministerialentwurf soll die unternehmerische Entscheidung, eine Vergütung zu leisten, die den Durchschnittsverdienst von Unselbstständigen um ein Vielfaches übersteigt, nicht von der Allgemeinheit über die dadurch eintretende Steuerentlastung mitgetragen werden. Betriebsausgaben als Steuerentlastung anzuprangern, erweckt den Anschein, oberflächliche Missgunst bestimme unsere Steuerpolitik. Dass hohe Gehälter nach marktwirtschaftlichen Gesetzen entstehen und ihre Berechtigung haben können, etwa weil damit Know-how, Arbeitsleistung und ein hohes Maß an Haftung abgegolten werden, negiert der Gesetzgeber. Zudem wird vergessen, dass die bösen Spitzenverdiener nahezu 50% ihres Einkommens an den Fiskus abliefern und somit einen beachtlichen Teil der Steuerlast tragen.

Flucht ins Ausland droht

Mit dem Maßnahmenpaket wird die Regierung weder marktübliche Bezüge für Führungskräfte beschränken noch Unternehmer davon überzeugen, diese aus der privaten Tasche zu zahlen. Was droht, ist eine Flucht der Unternehmen ins Ausland. Dann sind aber auch die budgetierten Steuermehreinnahmen futsch. Kann eine Politik der ständigen Einführung und Rücknahme von Steueranreizen das Vertrauen der ausländischen Investoren fördern – wird das Abzocken der Unternehmen und das Schröpfen der Topverdiener unsere Wirtschaft entfesseln und unsere Arbeitsplätze sichern?


MMag. Verena Heffermann ist Rechtsanwältin bei Binder Grösswang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2014)

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