Zuständigkeitsmix: Viel Arbeit fürs Verwaltungsgericht

Bundesverwaltungsgericht
Bundesverwaltungsgericht(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Asylrecht ist am Bundesverwaltungsgericht derzeit der größte Brocken, fast alle Richter bearbeiten Altfälle. In anderen Bereichen trudeln die Fälle zum Teil erst ein.

Wien. Semmering-Basistunnel und dritte Piste auf dem Flughafen Wien sind längst nicht die einzigen Bauvorhaben, die derzeit wegen ausständiger Umweltverträglichkeitsprüfungen auf Eis liegen. Selbst fast fertige Baustellen, wie die neue Angertalbrücke (siehe Artikel unten), hängen seit Jahren in der Warteschleife, auch wegen anderer ausständiger Bewilligungen.

Dass nun auch noch der Instanzenzug für Verwaltungsverfahren reformiert wurde – Stichwort Verwaltungsgerichtsbarkeit –, lässt zwar für die Zukunft hoffen, bringt aber bei laufenden Verfahren zwangsläufig Verzögerungen mit sich. Denn Fälle, die zum Jahreswechsel schon bei der Berufungsinstanz anhängig waren, können nicht einfach weitergeführt werden, die Gerichte müssen sie neu aufrollen.

36.000 bis 40.000 Fälle

Völlig offen ist auch noch, wie die neuen Verwaltungsgerichte die Flut der Fälle bewältigen werden. Das neue Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ist mit 435 Mitarbeitern, davon 168 Richter, das größte Gericht Österreichs. Jährlich könnten dort aber 36.000 bis 40.000 Fälle landen. „Das sind nur Schätzungen, erst im Herbst können wir sagen, in welche Richtung es geht“, sagt BVwG-Sprecherin Dagmar Strobel-Langpaul. Erst dann werde man auch wissen, wie sich der Arbeitsanfall auf die einzelnen Zuständigkeitsbereiche – Asyl- und Fremdenrecht, Soziales, Wirtschaft, Kommunikation, Verkehr und Umwelt sowie persönliche Rechte und Bildung – verteilt.

Eines sei aber schon absehbar, sagt Strobel-Langpaul: „Die mengenmäßig größten Brocken sind der Asyl- und der Sozialbereich.“ Auch für den Wiener Standort des Gerichts, obwohl solche Fälle auch in den Außenstellen in Linz, Graz und Innsbruck behandelt werden. Die einzelnen Richter sind auf bestimmte Bereiche – meist mehr als einen – spezialisiert. Asylfälle bearbeiten im Moment auch in Wien fast alle, egal, welche Zuständigkeiten sie sonst haben. Durch die Geschäftsverteilung wurden praktisch jedem sogenannte Übergangsverfahren zugewiesen – das sind jene, die der Asylgerichtshof nicht mehr zu Ende führen konnte.

Bleibt dadurch anderes – etwa UVP-Verfahren – liegen? „Es sind mittlerweile schon in allen Bereichen Entscheidungen getroffen worden“, sagt Strobel-Langpaul, der Arbeitsanfall sei dort zum Teil noch geringer, „weil erst langsam Beschwerden bei uns eintrudeln“. Das liege nicht zuletzt an der neuen Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung: Die Behörde, deren Bescheid angefochten wurde, kann ihn innerhalb einer Frist, die meist zwei Monate beträgt, selbst abändern. Beschwerden landen daher oft nicht sofort beim Gericht.

Die bloße Menge der Fälle ist aber nur bedingt aussagekräftig hinsichtlich des Arbeitsaufwands in den einzelnen Bereichen. Besonders zeitaufwendige Fälle warten zweifellos in Fachgebieten wie UVP. Dort tätige Rechtsberater legen auf „Presse“-Anfrage eine gewisse Skepsis über den Zuständigkeitsmix an den Tag: „Im Umweltrecht arbeiten hoch spezialisierte Richter“, sagt Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt bei Wolf Theiss. „Die sind dann die halbe Zeit mit Fällen aus einem anderen Bereich befasst.“

Künftig mehr UVP-Fälle

Immerhin hat das neue Gericht auch schon UVP-Entscheidungen gefällt. Etwa über das geplante Logistikzentrum Ebergassing: Hier gab es grünes Licht für den Bau.

Die Zahl der UVP-Verfahren werde in Zukunft wohl steigen, meint Schachinger und verweist auf eine Stellungnahme der Europäischen Kommission, wonach in Österreich die Öffentlichkeit hier immer noch zu wenig eingebunden wird. Erweitert wurden deren Rechte schon 2012. Damals bekamen Umweltorganisationen die Möglichkeit, in Feststellungsverfahren zur Frage, ob ein Projekt UVP-pflichtig ist oder nicht, einen Überprüfungsantrag zu stellen (jetzt: eine Beschwerde einzubringen). Bürgerinitiativen dürfen das nicht, können aber an Umweltorganisationen herantreten. Oder versuchen, selbst eine zu werden – dazu müssen sie es auf die Liste der vom Lebensministerium anerkannten Organisationen schaffen. Und das dürfte sogar manchen gelungen sein, die nicht alle Voraussetzungen erfüllen. So stehen selbst eine Liechtensteiner und eine Schweizer Organisation auf der Liste. Laut Schachinger ist das vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt.

Wenn die Öffentlichkeit weitere Mitspracherechte bekommt, wird das betroffene Anrainer freuen. So manches Projekt werde aber sterben, sagt Schachinger. „Vor allem für Garagen- oder Stellplatzprojekte wird es schwierig werden“ – auch für an sich umweltfreundliche wie Park-and-ride-Anlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2014)

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