Staatshaftung: "Wo Garantie draufsteht, muss Garantie drinnen sein"

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Der Bund übernahm Haftungen für Unternehmen – kann er das Risiko jetzt den Banken aufbürden? Das sei gegen die Intention des Gesetzes, sagt Wirtschaftsanwalt Markus Fellner.

Die Presse: Der Staat übernahm während der Wirtschaftskrise Haftungen in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro für Kredite, die Banken an Unternehmen vergeben haben. Grundlage dafür ist das Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz (ULSG), das im Sommer 2009 in Kraft getreten ist. Was halten Sie von diesem Gesetz?

Markus Fellner: Das Gesetz an sich ist eine sehr gute Maßnahme gewesen. Aufgrund der Kreditenge war es während der Finanzkrise auch für Unternehmen mit gesunder wirtschaftlicher Basis schwierig, eine Refinanzierung von Banken zu bekommen. Intention des Gesetzes war es also, solchen Unternehmen eine Refinanzierungsmöglichkeit zu geben, damit sie kein Liquiditätsproblem bekommen. Mit den ULSG-Garantien wollte der Staat eine Überbrückungshilfe geben, eine durchaus sinnvolle Maßnahme.

Auch für die insolvente Alpine hat der Bund Garantien übernommen. Die Banken haben die Garantien gezogen, denn über die Alpine ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das heißt, ein Fall, den das Gesetz als Voraussetzung für die Haftung vorsieht, ist eingetreten. Der Bund aber will nicht zahlen.

Das aber hat mit der Zahlungsunwilligkeit des Bundes und nicht mit der Qualität des Gesetzes zu tun.

Er weigert sich, die Garantien auszuzahlen. Und zwar mit der Begründung, er sei damals über die wahre wirtschaftliche Lage des Unternehmens in die Irre geführt worden.

Der Bund hat eine abstrakte Garantie übernommen. Nun sagt er, diese abstrakte Garantie sei in Wahrheit keine, sondern eine Erklärung sui generis, deren Voraussetzungen er nun erst prüfen muss. Meines Erachtens findet sich auch in den Gesetzesmaterialien keine Grundlage für diesen Standpunkt. Denn dort ist von Garantie die Rede. Auch die Rechtssprechung sagt, wo Garantie draufsteht, muss auch Garantie drinnen sein. Das heißt, es besteht eine abstrakte Haftung, und es gibt auch keine Einwendungen aus dem Grundgeschäft.

Sie vertreten das Bankenkonsortium und haben in dessen Namen den Bund auf 151 Millionen geklagt. Haben Sie auch auf Verzugszinsen geklagt?

Selbstverständlich, die gesetzlichen Verzugszinsen betragen neun Prozent. Mir ist unverständlich – selbst wenn der Bund Bedenken hat –, weshalb er nicht vorweg die genannte Summe zahlt und sie im Falle, dass er recht bekommt, zurückfordert, so wie das bei einer Garantiehaftung rechtlich vorgesehen ist. Denn obsiegen die Banken, wird das aufgrund der fälligen Verzugszinsen, die wir verrechnen, die teuerste Refinanzierung, die man sich vorstellen kann.

Wie wurden die Voraussetzungen, die zur Gewährung der Garantie durch den Bund notwendig waren, überprüft?

Die Voraussetzungen wurden durch die Österreichische Kontrollbank (OeKB) und einen Beirat im Finanzministerium geprüft.

Die OeKB und der Bund wollen nicht bekannt geben, wer diesem Beirat angehört. Wissen Sie, wie sich der Beirat zusammensetzt?

Nein, die Zusammensetzung wird – wie Sie sagen – nicht bekannt gegeben.

Könnte es sein, dass die Mitglieder, sollten sie eine falsche Entscheidung für den Minister getroffen haben, haften müssen?

Das ist denkbar.

Seit November 2010 wurden keine ULSG-Haftungen mehr vergeben. In Summe hat der Bund Garantien in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro übernommen, zehn Milliarden hätte jedoch der Gesamthaftungsrahmen betragen. Der ULSG-Topf wurde also bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Aus Sicht der Banken ist das ex post betrachtet auch besser so. Sie tragen das Risiko. Denn sie haben den Unternehmen neues Geld gegeben, weil sie davon ausgegangen sind, es sei besichert. Nun stellt sich das anders dar. Der Bund hat eine Konjunkturmaßnahme gesetzt und steht nun nicht dazu. Denn nun – bei dem bisher einzigen Fall, in dem die Haftung tatsächlich schlagend wird – überlegt er, wie er aus seiner Verpflichtung herauskommt. Das Insolvenzrisiko ist also vom Bund auf die Banken verlagert worden. Das war sicher nicht der Sinn des ULSG.

ZUR PERSON

Markus Fellner ist Partner der Wirtschaftskanzlei Fellner Wratzfeld & Partner. Er ist schwerpunktmäßig im Gesellschaftsrecht, und zwar in den Bereichen M&A, Umgründungen und Unternehmensrestrukturierung tätig. Er vertritt die Gläubigerbanken der Alpine im Prozess gegen den Bund. Das Bankenkonsortium hat gegen den Bund Klage eingebracht, es fordert 151 Millionen Euro plus Verzugszinsen ein, jenen Betrag, für den der Bund ULSG-Haftungen übernommen hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

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