Der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung könnte der Wirtschaft nützen, meint ein Spezialist für IT-Recht und Datenschutz.
Wien. Der EuGH kippte bekanntlich die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. In Österreich ist nun der Verfassungsgerichtshof am Zug. Noch ist nicht klar, ob die heimischen Umsetzungsregelungen ersatzlos gestrichen werden. Das verlangt der EuGH auch nicht unbedingt, er sieht einen gewissen Spielraum für eine grundrechtskonforme Neuregelung.
„Die Tür, die er offen lässt, ist aber so klein, dass ich bezweifeln würde, ob der europäische Gesetzgeber allen Anforderungen gerecht werden kann“, sagt Lukas Feiler, Spezialist für IT-Recht und Datenschutz bei Baker & McKenzie in Wien. Für den nationalen Gesetzgeber gelte dasselbe. Zudem sei auf europäischer Ebene damit zu rechnen, „dass das europäische Parlament Gegenwehr leisten würde“, sollte eine neue, vergleichbare Richtlinie geplant werden.
Aber wie auch immer – zunächst liegt es jedenfalls an Österreich, eine adäquate Rechtslage zu schaffen. Feiler hat sehr klare Vorstellungen, wie diese ausschauen sollte: „Die Vorratsdatenspeicherung ersatzlos zu streichen wäre richtig.“ Abseits von der viel diskutierten Grundrechtsthematik gebe es dafür auch wirtschaftliche Argumente: Im Lichte des NSA-Skandals könne Europa insgesamt – oder ganz konkret Österreich – besseren Datenschutz zu einem Standortvorteil machen, meint Feiler.
„Manko für Vertraulichkeit“
Bestimmte Branchen betreffe das besonders – neben den Telekomanbietern etwa auch IT-Dienstleister. „Jetzt arbeiten sie mit Verschlüsselungen und Ähnlichem, aber das schafft nicht im selben Ausmaß Vertrauen bei den Kunden wie eine klare Rechtslage, nach der Datenverkehr ohne Speicherung angeboten werden könnte.“ Ähnliches gelte für beratende Berufe. So seien auch Rechtsanwaltskanzleien der Vorratsdatenspeicherung unterworfen, weil es für sie keine Ausnahmeregelung gibt. „Das ist ein klares Manko für die Vertraulichkeit der Rechtsberatung.“
Die Vorratsdatenspeicherung betrifft zwar keine Inhalte von Telefonaten, SMS oder E-Mails. Festgehalten wird nur, wer wann mit wem (und bei Mobilfunk auch, von welchem Standort aus) kommuniziert hat. Aber auch das kann problematisch sein, etwa, wenn bekannt wird, dass sich jemand von einem auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Anwalt vertreten lässt.
Letztlich bedeutet die Speicherung von Kontakten auch für Wirtschaftszweige, bei denen es nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, ein gewisses Risiko für ihre Geschäftsgeheimnisse. Dieses liegt einfach darin, dass die Daten überhaupt vorhanden sind – und somit Ziel eines Hackerangriffs werden könnten. So könnten etwa Verhandlungen über eine Unternehmenstransaktion vorzeitig publik werden. „Welche Kunden ein Unternehmen hat, erkennt man aus dem Telefon- und E-Mail-Verkehr ebenfalls“, sagt Feiler. Und das Risiko eines Datenlecks sei angesichts der Geschehnisse der letzten Zeit „ein gar nicht so theoretisches“. Als Standortargument wäre es also in jedem Fall brauchbar, wenn man sagen könnte, in Österreich gibt es das gar nicht. (cka)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2014)