Mobiltelefonie: Abhilfe gegen Schockrechnungen gesucht

Junge Frau erschrickt ueber hohe Telefonrechnung
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Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Netzbetreiber ordnen das Risiko eines Missbrauchs gestohlener SIM-Karten dem Kunden zu, bis er den Diebstahl meldet. Es verwundert, dass die RTR nicht widerspricht.

Bregenz. Vor Kurzem hat der Autor den Fall eines Vorarlberger Studenten öffentlich gemacht, der nach dem Diebstahl seines Handys in Barcelona mit einer Rechnung seines Mobilfunkbetreibers über mehr als 17.000 Euro konfrontiert war. Nicht zuletzt aufgrund des Umstands, dass die zuständige Infrastrukturministerin Doris Bures im Juni 2012 in einer 400.000 Euro teuren Inseratenkampagne öffentlich verkündet hatte, dass es künftig keine „Horrorrechnungen“ der Mobilfunkbetreiber mehr geben werde, war der öffentliche Aufschrei, wie so etwas möglich ist, groß.

Die zuständige Aufsichtsbehörde, die Rundfunk- und Regulierungs-GmbH (RTR), hat mit einer Pressemitteilung reagiert, wonach dort das Problem bekannt sei und die RTR-Schlichtungsstelle bereits mehrmals ausdrücklich darauf hingewiesen habe. Man müsse „ganz oben ansetzen“. Man werde die internationalen Beziehungen nützen und den spanischen Regulator kontaktieren, um „etwaige Maßnahmen zu diskutieren bzw. anzuregen“. Der zuständige Geschäftsführer in der RTR, Johannes Gungl, sei zuversichtlich, bei den ausländischen Kollegen Gehör zu finden und eine Lösung im Sinn der Touristen, aber auch der österreichischen Betreiber, finden zu können.

Diese „Absichtserklärung“ der RTR kündigt geradezu ein weiteres Versagen der RTR an. Es verwundert nämlich, dass die RTR meint, das Problem durch punktuelle Maßnahmen als Reaktion auf einzelne Schockrechnungen lösen zu können, anstatt eine grundsätzliche Lösung im Inland zu suchen.

Netzbetreiber müssen vor Aufnahme des Dienstes ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen der RTR anzeigen; dies gilt auch für Änderungen der AGB. Die RTR kann innerhalb von acht Wochen widersprechen; damit wird die Verwendung der AGB untersagt.

Zahlen auch ohne Verschulden

Eine Hauptursache für die Schockrechnungen liegt darin, dass die Netzbetreiber durch AGB-Klauseln das Risiko der Folgen des Missbrauchs der SIM-Karten bis zum Zeitpunkt, an dem der Diebstahl dem Netzbetreiber gemeldet wird, voll auf den Kunden überwälzen, und zwar ohne Prüfung eines Verschuldens des Kunden. Wenn also jemand in Barcelona von einem Räuber, der anschließend die SIM-Karte missbraucht, niedergeschlagen wird und sodann einige Stunden verletzungsbedingt seinen Netzbetreiber nicht kontaktieren kann, wäre eine volle Haftung des Kunden gegeben. Der Oberste Gerichtshof sieht solche Klauseln zu Recht sehr kritisch, etwa auch im Zusammenhang mit Kreditkarten (10 Ob 70/07b) oder Bankomatkarten (2 Ob 133/99v).

Es ist zwar zulässig, das Diebstahlsrisiko für eine Bankomatkarte auf den Kunden abzuwälzen (OGH 2 Ob 133/99v), weil dieses Risiko vom Karteninhaber im Vergleich zur Bank leichter beherrschbar ist. Bei Handys ist aber zu berücksichtigen, dass ein Missbrauch durch technische Maßnahmen (SIM-Boxen, Parallelschaltungen) nur aufgrund von Unzulänglichkeiten der vom Netzbetreiber bereitgestellten SIM-Karten möglich ist. Würde der Netzbetreiber die Karten so herstellen lassen, dass keine solchen Manipulationen möglich sind, oder würde der inländische Netzbetreiber nur mit solchen ausländischen Betreibern Roamingverträge abschließen, die einen entsprechend hohen technischen Standard haben, um solche Manipulationen sofort zu erkennen, wäre diese Art der Schockrechnung nicht möglich. Folglich würde der OGH eine solche Risikoverteilung zu Lasten des Kunden wohl überaus kritisch sehen, und es überrascht, dass die RTR solchen Klauseln bisher nie widersprochen hat.

Gehäuft Fälle in Barcelona

Aber kann die RTR nach der Häufung von Schockrechnungen als Folge von Handydiebstählen in Spanien – nach eigenen Angaben hatte allein der Netzbetreiber A1 in den vergangenen sechs Monaten mehr als 50 Fälle – den bereits genehmigten AGB nachträglich widersprechen? Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (2012/03/0067) ist dies leider nicht möglich, da auch bei einer Adaption der AGB nur jener Teil, der in einem untrennbaren Zusammenhang mit späteren Änderungen steht, neu geprüft werden kann. Die RTR hat somit die Widerspruchsmöglichkeit gegen derartige Klauseln versäumt, und es ist zu hoffen, dass der VKI mit einer Unterlassungsklage dieses Versäumnis beheben wird.

Die RTR-Schlichtungsstelle brüstet sich damit, dass die Anzahl der Schlichtungsverfahren abgenommen habe, was darauf hinweise, dass Maßnahmen zum Schutze der Kunden gegriffen hätten. Diese Aussage darf hinterfragt werden: Es ist unter den Anwälten, welche „Schockrechnungs-Mandanten“ vertreten, ein offenes Geheimnis, dass RTR-Schlichtungsverfahren oft wenig sinnvoll sind: einerseits wegen der teilweise langen Dauer, andererseits wegen der kundenfeindlichen „Spruchpraxis“ der Schlichtungsstelle, die zivilrechtliche Argumente, welche für den Kunden günstig sind (z.B. nebenvertragliche Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten des Netzbetreibers; Schadensminderungspflicht; laesio enormis; Unklarheitenregel etc.), oft ungenügend berücksichtigt. Durch den Gang zum Gericht kommen Kunden meist schneller und besser zum Recht.

Johannes Gungl, der als vormaliger Chefjurist bei Orange über beste Insiderkenntnisse verfügt, hat bei seiner Bestellung zum Geschäftsführer erklärt, dass er die Kunden in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit stellen wolle. Es bleibt abzuwarten, ob es ihm damit ernst ist und ob ihm effiziente Maßnahmen zur Verhinderung von Schockrechnungen einfallen. Den Schwarzen Peter an den spanischen Regulator zu schieben ist jedenfalls ungenügend. Es wäre schön, wenn sich kein Kunde mehr vor der nächsten Monatsrechnung fürchten müsste.


Dr. Schneider, LL.M. (Virginia) ist Partner in der Rechtsanwaltskanzlei Preisl & Schneider in Bregenz – schneider@preisl-schneider.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2014)

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