Wie schlimm wäre die Insolvenz eines Bundeslandes?

Lindwurm
LindwurmAPA/GERT EGGENBERGER
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Nach dem Gesetzeswortlaut könnte der Gläubigerzugriff sehr weit gehen – Experten plädieren für eine Entschärfung.

Wien. Am vergangenen Dienstag segnete das EU-Parlament die Bankenunion endgültig ab. Unter anderem wurde, wie berichtet, ein Abwicklungsmechanismus für marode Banken auf den Weg gebracht. Nach der Abstimmung überbot man sich mit Jubelmeldungen: Es könne nun keinen Fall „Hypo Alpe Adria2“ mehr geben, nie mehr würden Steuerzahler für Bankenpleiten aufkommen müssen.

Ob das nicht zu euphorisch ist, bleibt abzuwarten – selbst die EU-Parlamentarier schlossen „öffentliches Eingreifen“ für die Zukunft nicht völlig aus. Jedenfalls zu optimistisch wäre es aber, jetzt anzunehmen, es könne künftig auch keinen zweiten „Fall Kärnten“ mehr geben. Dem Bundesland hätte ja wegen seiner Haftungsübernahmen ebenfalls die Insolvenz gedroht, hätte man die Hypo Alpe Adria in die Pleite geschickt.

Komfortable Position

Haftungen für Landesbanken gibt es jedoch auch in anderen Bundesländern. Darüber hinaus haften Länder auch für Schulden diverser Landesgesellschaften. Müsste da der Bund womöglich ebenfalls einspringen, wenn eine solche Haftung schlagend wird? „Die Logik des Kapitalmarktes geht davon aus“, sagt Stefan Paulmayer, Bank- und Finanzrechtsexperte bei Schönherr. Faktisch könne man Gläubigern, die Garantieansprüche gegen ein Bundesland haben, recht wenig entgegensetzen.

Die österreichische Rechtslage verschafft ihnen nämlich eine deutlich komfortablere Position, als es etwa in Deutschland der Fall ist. Dort ist es gesetzlich ausgeschlossen, dass über das Vermögen des Bundes oder eines Landes ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Gläubiger können zwar Exekutionsanträge stellen, haben aber auf erhebliche Teile des Vermögens von Gebietskörperschaften – und ebenso von Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts – keinen Zugriff. Konkret betrifft das „Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht“. Die österreichische Exekutionsordnung (EO) enthält zwar eine ähnliche Bestimmung, aber nur für Gemeinden und gemeinnützige öffentliche Anstalten. Diesen kann nur weggenommen werden, was sie „ohne Beeinträchtigung öffentlicher Interessen“ entbehren können – wobei die Verwaltungsbehörden entscheiden, was konkret darunter fällt. Für Bundesländer gebe es keinen vergleichbaren Schutz, sagt Schönherr-Partner Wolfgang Höller. Zum Teil wird zwar die Ansicht vertreten, dass die Bestimmung der EO analog auch auf die Länder anzuwenden sei. Paulmayer verweist dazu aber auf OGH-Judikatur, die klar dagegenspricht.

Selbst auf die Finanzausgleichszahlungen, die die Länder vom Bund bekommen, könnten Gläubiger im Insolvenzfall zugreifen: Das Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG) schützt nämlich nur die Zuweisungen an Gemeinden, aber nicht auch jene an Länder vor einer Pfändung. Höllers Fazit: „Bei der Insolvenz eines Bundeslandes hätten die Gläubiger grundsätzlich Zugriff auf alles, was dem Land gehört.“ Man könne somit auch nicht davon ausgehen, dass einem Land, über das ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, jedenfalls genug Mittel für die Erfüllung seiner Aufgaben bleiben.

Aus Gläubigersicht könnte es also durchaus eine Überlegung wert sein, ein Bundesland in die Pleite zu schicken. Höller hält das für ein rechtliches Manko – auch, weil sich die Bereitschaft, über einen Haircut zu verhandeln, naturgemäß in Grenzen hält, wenn man theoretisch die Aussicht auf mehr hat. Nach Ansicht der beiden Juristen ließe sich das Problem jedoch relativ leicht entschärfen: Man müsste nur gesetzlich klarstellen – sowohl in der EO als auch im F-VG –, dass der Pfändungsschutz auch für Länder gilt. Was das F-VG betrifft, bräuchte man dazu allerdings eine Zweidrittelmehrheit.

„Gesamtpaket wäre wichtig“

Eine gewisse Unsicherheit gibt es auch noch darüber, ob ein Bundesland überhaupt insolvenzfähig ist. Ganz sicher sei das nicht, sagt WU-Professor und OGH-Richter Georg Kodek, „ich glaube es aber schon“. Die Bestandsgarantie, die es für die Länder gibt, spricht aus seiner Sicht nicht dagegen: „Wenn jemand in Privatkonkurs geht, existiert er ja auch trotzdem weiter.“ Dass Gläubiger im Insolvenzfall einen recht weitgehenden Zugriff auf Landesvermögen hätten, nimmt auch Kodek an: „Man könnte zwar argumentieren, dass den Ländern bestimmte Dinge für hoheitliche Aufgaben erhalten bleiben müssen. Aber wo ist die Grenze? Muss zum Beispiel die Landesregierung in einem schönen Gebäude sitzen? Oder reicht irgendein Büro?“ Auch dass etwa ein Krankenhaus vom Land geführt werden müsse, sei nicht zwingend: „Ein privater Träger kann das auch.“

Will man die Insolvenz von Gebietskörperschaften regeln, wäre aus Kodeks Sicht ein Gesamtpaket wichtig. „Man müsste auch über irgendeine Form der Aufsicht nachdenken“, meint er und verweist auf Fälle in den USA, in denen sich das bewährt habe. „Auch ein Unternehmen wird ja nicht durch das Insolvenzrecht allein saniert. Es braucht auch ein anderes Management.“

ZUR PERSON

Georg Kodek ist Professor am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU Wien und Hofrat des Obersten Gerichtshofs. An der WU ist er Vorstand der Abteilung für Unternehmensrecht. Insolvenzrecht ist einer seiner Tätigkeitsschwerpunkte (neben Sachenrecht, Grundbuchsrecht, Verfahrensrecht und internationalem Privatrecht). [ Fabry ]

ZUR PERSON

Wolfgang Höller ist Partner bei Schönherr in Wien und leitet die Practice Group Insolvency & Restructuring. Er vertritt österreichische und internationale Unternehmen und Banken in außergerichtlichen Restrukturierungen. Mit RBI, Erste Group und UniCredit Bank Austria hat er Grundsätze für Restrukturierungen in Österreich veröffentlicht. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Stefan Paulmayer ist Rechtsanwalt in der Practice Group Banking, Finance & Capital Markets bei Schönherr. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in den Bereichen finanzielle Restrukturierungen, Finanzierungen, (Bank-)Aufsichtsrecht sowie klassisches Bank- und Kapitalmarktrecht einschließlich Derivate und strukturierte Produkte. [ Schönherr ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

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