Überlegungen der Exekutive sind keine Gesetzgebungsakte

(c) Clemens Fabry
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Verwaltungsgerichtshof bremst Finanzverwaltung bei restriktiver Auslegung des Zinsenabzugs beim Beteiligungserwerb ein.

Wien. Eine neue Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zeigt, dass die Finanzverwaltung bei ihrer Gesetzesinterpretation oft zu Lasten von Abgabepflichtigen über das Ziel schießt. Leider ist dies keine Ausnahme, sondern System.

Der VwGH wies eine Amtsbeschwerde des Finanzamts Linz gegen die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) ab. Es ging um die Interpretation des Begriffes „Zinsen“ als Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Anschaffung von Beteiligungen. Der UFS hatte ihn weit interpretiert und darunter auch Geldbeschaffungskosten verstanden, wie zum Beispiel eine Bereitstellungsgebühr. Das Finanzamt wollte das nicht hinnehmen und erhob Beschwerde an den VwGH. Begründung: Das Ministerium habe im Entwurf des Gesetzes noch von „Kosten der Fremdfinanzierung“ gesprochen, und dies sei in der Regierungsvorlage bewusst durch den engeren Begriff „Zinsen“ ersetzt worden.

Nachhilfe im Verfassungsrecht

Dieser Argumentation erteilte der VwGH eine Absage. Er begründete dies damit, dass dem Gesetzeswortlaut diese Einschränkung nicht zu entnehmen ist und die Finanzverwaltung keine Gesetze erlassen kann: „Das Finanzamt übersieht mit seinem Vorbringen, dass es nach österreichischem Verfassungsrecht nicht der Exekutive obliegt, Gesetze im formellen Sinn zu erlassen. Nach Art. 24 B-VG wird die Gesetzgebung des Bundes vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat ausgeübt. Im Schoß der Exekutive gepflogene Überlegungen können nicht der Legislative zugerechnet werden.“ (2011/15/0199)

Tatsächlich geschieht im Steuerrecht aber seit vielen Jahren genau das, was hier als verfassungswidrig kritisiert wird. Seit mehr als 20 Jahren sind die Übergänge zwischen Exekutive und Legislative im Steuerrecht fließend. Gerade die vor dem VwGH strittige Bestimmung zeigt dies deutlich.

Man kann darüber streiten a), ob Zinsen im Unternehmen überhaupt bestimmten Vermögensgegenständen oder Erträgen „zugeordnet“ werden können („Zuordnungsindifferenz“) und b), ob sie dann, wenn sie steuerfreien Erträgen zugeordnet werden, steuerlich absetzbar sein sollen. Der Gesetzgeber hat ab 2005 jedenfalls die steuerliche Absetzbarkeit gewährt.

Die Finanzverwaltung hat dies allerdings von Beginn an sehr restriktiv interpretiert. Es wurde als missbräuchlich angesehen, wenn Beteiligungen nicht von einem Fremden erworben und dennoch Zinsen dafür abgesetzt wurden. Auf Veranlassung der Finanzverwaltung wurde daraufhin beschlossen, dass ab 2011 der Abzug von Zinsen nicht mehr zulässig ist, wenn die Beteiligung „unmittelbar oder mittelbar von einem konzernzugehörigen Unternehmen bzw. unmittelbar oder mittelbar von einem einen beherrschenden Einfluss ausübenden Gesellschafter erworben worden“ ist.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 wurde außerdem verfügt, dass die Zinsen ab 1.3.2014 dann nicht mehr absetzbar sind, wenn der Empfänger der Zinsen „unmittelbar oder mittelbar konzernzugehörig“ ist oder „unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss desselben Gesellschafters“ steht und die Zinsen beim Empfänger niedrig (mit weniger als zehn Prozent) besteuert werden. Es wurde also zum Nachteil der Steuerpflichtigen immer komplizierter.

Es wäre also nicht überraschend, wenn schon mit dem nächsten Abgabenänderungs- oder Budgetbegleitgesetz der Begriff „Zinsen“ durch die Wortfolge „mit Ausnahme von Geldbeschaffungskosten“ ergänzt wird. Viele Gesetzesänderungen im Steuerrecht beruhen auf dem grundlegenden Irrtum, die Finanzverwaltung müsste steuerliche Bestimmungen immer zum Nachteil des Abgabepflichtigen („fiskalistisch“) auslegen, selbst wenn sie nicht so intendiert waren, und der Gesetzgeber müsste dies im Gesetz nachvollziehen, sobald es im Wortlaut keine Deckung mehr findet.

Verheerendes Ergebnis

Das Ergebnis ist verheerend: Eine klare und einfache Regelung wurde zehn Jahre lang restriktiv interpretiert und vielen, die sich darauf stützten, Missbrauch unterstellt. Wenn Abgabepflichtige oder Rechtsmittelinstanzen der engen Interpretation nicht folgten, wurde das Gesetz geändert. Dies geschah so lange, bis die Bestimmung nicht nur völlig unverständlich wurde, sondern die ursprüngliche Intention auch nicht mehr erkennbar war. Man könnte sagen: Von der Ausnahme von der Ausnahme blieb durch viele Ausnahmen nicht mehr viel übrig.

Nun mag man, je nach Standpunkt, diese Vorgehensweise begrüßen, wenn sie gegen „Konzerne“ oder „Manager“ gerichtet ist. Sie betrifft allerdings keineswegs nur diese. Ähnliche Beispiele lassen sich bei der Besteuerung von Arbeitnehmern, Freiberuflern und Handwerkern nennen. Neuerdings werden unter dem Titel Golden Handshake beispielsweise Abgangsentschädigungen für behinderte Dienstnehmer und Betriebsratsmitglieder sowie Zahlungen im Rahmen von Sozialplänen steuerlich belastet („Die Presse“ berichtete am 7.4.). Es bleibt nur zu hoffen, dass die Judikative diese Entwicklungen kontrolliert und dazu beiträgt, dass Exekutive und Legislative in Österreich künftig schärfer getrennt werden.


Dr. Benjamin Twardosz ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei Wolf Theiss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2014)

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