Verhandlungsgeschick in Brüssel

AP Photo/Virginia Mayo
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Die Gesellschaftsteuer sollte eigentlich abgeschafft werden. So wollen es EU-Kommission und Europaparlament. Doch Finanzminister Molterer fand eine Hintertür.

WIEN/BRÜSSEL. Am 4. Dezember vergangenen Jahres hatte Finanzminister Wilhelm Molterer einen unangenehmen Termin in Brüssel. Und zwar ein Treffen der Finanzminister der Europäischen Union, kurz „Ecofin“ genannt. Warum diese spezielle Ecofin-Tagung so unangenehm für Molterer war, hat einen einfachen Grund: Auf der Tagesordnung, als letzter Verhandlungspunkt, stand ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission, der die vollständige Abschaffung der Gesellschaftsteuer bis spätestens Anfang 2010 vorsah.

Kein Finanzminister verzichtet gerne auf eine Einnahmequelle. Auch nicht auf eine eher kleine wie die Gesellschaftsteuer, die in Österreich auch unter dem Namen Kapitalverkehrsteuer bekannt ist. Von Jänner bis Oktober 2007 (neuere Zahlen gibt es noch nicht) brachte sie Molterer 115,5 Mio. Euro ein. Für das Gesamtjahr 2007 waren 150 Mio. Euro veranschlagt.

Zum Vergleich: Für die heuer auslaufende Erbschafts- und Schenkungssteuer, derentwegen sich SPÖ und ÖVP ein medienwirksames ideologisches Ringen geliefert hatten, waren für 2007 nur 135 Mio. Euro veranschlagt.

Nur sieben Staaten haben sie

Ein Prozent beträgt die Gesellschaftsteuer in Österreich, und sie fällt jedes Mal an, wenn eine Gesellschaft eine Kapitalerhöhung macht. Also dann, wenn ein österreichisches Unternehmen seine Eigenkapitalquote verbessert. Auf den Punkt gebracht: Diese Steuer bestraft jene Unternehmen, die etwas tun, was jede Regierung zumindest als Lippenbekenntnis führt. Nämlich weniger von geborgtem Geld abhängig werden.

Darum stirbt diese Steuer aus: 1988 schaffte Großbritannien sie ab, Deutschland und Frankreich vier Jahre darauf, Italien 2000. Zuletzt wurde sie 2005 in Irland und in Belgien und den Niederlanden mit Anfang 2006 abgeschafft. Nur noch sieben von 27 EU-Staaten haben sie: Griechenland, Spanien, Zypern, Luxemburg, Polen, Portugal – und Österreich.

Und auch dort soll sie zum Nutzen der Wirtschaft ein Ende finden. So will es der Vorschlag der Kommission über eine „Richtlinie des Rates betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital“ – kurz: Kapitalansammlungs-Richtlinie. Dort steht, dass jene Länder, die am 1. Jänner 2006 eine Gesellschaftsteuer („Capital Duty“) hatten, diese bis höchstens 31. Dezember 2009 behalten dürfen. Sprich: Nach dem Wunsch der Kommission gäbe es ab 2010 keine Gesellschaftsteuer mehr.

Das ging dem Europaparlament doch etwas zu schnell. In der Sitzung vom 12. Dezember beschlossen die EU-Abgeordneten, dass die Steuer erst 2012 auslaufen solle – aber ebenfalls in allen sieben Ländern, die sie zum Stichtag 1.Jänner 2006 eingehoben haben.

Und so berichtete Markus Stefaner von der Wirtschaftsprüferfirma Ernst & Young als Erster in der aktuellen „Steuer und Wirtschaftskartei“ über die bevorstehende Abschaffung in Österreich.

Im Büro des Finanzministers sieht man das aber nicht so. „Am 4. Dezember hat es im Ecofin eine politische Einigung gegeben“, sagte Molterers Sprecher Harald Friedl auf Anfrage der „Presse“. Und die sehe vor, dass die Gesellschaftsteuer nicht auslaufen müsse. Die freiwillige Aufhebung im Zuge der Steuerreform 2010 stehe „nicht auf der Tagesordnung“.

Worauf sich Molterer und seine Amtskollegen am 4. Dezember in Brüssel wirklich „politisch“ geeinigt haben, ist unbekannt. Das Finanzministerium schweigt. Und das offizielle Protokoll der Sitzung erwähnt nur, dass man über die Richtlinie gesprochen habe.

„Der Verlust des Steueraufkommens steht in keinem Verhältnis zum Nutzen – Stichwort: Holdingstandort Österreich“, ärgert sich die Steuerberaterin Barbara Polster von KPMG. Denn auch die Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes einer Kapitalgesellschaft aus dem Nicht-EU-Ausland unterliegt der Gesellschaftsteuer.

Tatsache ist: Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis spätestens Anfang 2010 umsetzen. Das wäre, wie die Kommission in ihren Vorbemerkungen trocken festhält, „ein angemessener Zeitpunkt. Bis dahin werden die Mitgliedstaaten über 25 Jahre verfügt haben, um ihre Steuerregelungen anzupassen und auf die Abschaffung der Steuer vorzubereiten.“

AUF EINEN BLICK

Die Gesellschaftsteuer beträgt ein Prozent. Sie fällt bei jeder Kapitalerhöhung an. Aber auch dann, wenn eine ausländische Firma nach Österreich zieht.

Die EU will diese Steuer bis spätestens 2010 abschaffen. Österreich sperrt sich dagegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2008)

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