Blauer Brief wegen Väterkarenz?

Elternkarenz
Elternkarenz(c) Clemens Fabry / Die Presse
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Eine OGH-Entscheidung stärkt den Diskriminierungsschutz für Frauen. Aber auch Männer, die in Elternkarenz gehen wollen, dürfen nicht deshalb gekündigt werden.

Wien. Wenn ein Arbeitgeber eine Mitarbeiterin kündigt, weil sie bald schwanger werden könnte, ist das eine verbotene Diskriminierung. Das haben wir seit Kurzem schwarz auf weiß: Der OGH sprach einer Arbeitnehmerin Schadenersatz zu, die nach einer Fehlgeburt ihren Job verloren hatte (8 ObA 81/13i; „Die Presse“ berichtete). Ihr Dienstgeber hatte laut den gerichtlichen Feststellungen die Kündigung ausgesprochen, weil er mit einer neuerlichen Schwangerschaft rechnete.

Detail am Rande: Die Arbeitnehmerin war beim Einstellungsgespräch gefragt worden, ob sie bald Kinder wolle, und hatte das verneint. (Eine solche Frage muss übrigens nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden.)

Die Reaktionen auf das Urteil reichten von Jubel über mehr Schutz für Frauen bis zu Bedenken, ob man Mitarbeiterinnen im gebärfähigen Alter jetzt überhaupt noch kündigen kann. So viel vorweg: Ja, das kann man – nur darf eine mögliche Schwangerschaft nicht der ausschlaggebende Grund sein. Und selbst, wer nur männliche Mitarbeiter beschäftigt, könnte mit einer ähnlichen Problematik konfrontiert werden – denn auch Männer können in Elternkarenz gehen. „Sie dürfen dann ebenfalls nicht deshalb gekündigt werden“, sagt Rechtsanwältin Anna Mertinz (Kanzlei KWR).

Fast spiegelbildlicher Fall

Auch hier ist nicht nur der – rechtlich einfachere – Fall denkbar, dass ein Vater den blauen Brief bekommt, nachdem er seinen Arbeitgeber von seiner Absicht, in Karenz zu gehen, informiert hat. Dass das eine verbotene „Motivkündigung“ wäre, ist klar. Theoretisch könnte es aber auch ein fast spiegelbildliches Szenario zu dem vom OGH entschiedenen Fall geben: Ein Jobinteressent sagt beim Vorstellungsgespräch nichts darüber, dass er und seine Lebensgefährtin sich ein Kind wünschen (männlichen Bewerbern wird diese an sich verbotene Frage auch nur selten gestellt). Nach seiner Anstellung meldet er seinem Arbeitgeber, dass seine Partnerin schwanger ist und er in Karenz gehen möchte. Es kommt zu einer Fehlgeburt. Kurz darauf bekommt er die Kündigung: Denn sein Arbeitgeber befürchtet, das Thema Elternkarenz werde nun eben etwas später wieder aufs Tapet kommen. „Interessant wäre, wie der OGH einen solchen Sachverhalt beurteilt“, sagt Mertinz.

Auch dieser Arbeitnehmer könnte versuchen, gegen die Kündigung vorzugehen, weil sie aus einem verpönten Motiv erfolgte, sagt die auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwältin. „Er müsste das Gericht davon überzeugen, dass er wegen der bloßen Möglichkeit einer Elternkarenz gekündigt wurde.“

Männer nicht diskriminiert?

Dass in einem solchen Szenario auch ein Mann gute Chancen hätte, die Kündigung anzufechten, bestätigt auch Arbeitsrechtsexperte Horst Lukanec, Partner bei Binder Grösswang: „Er könnte eine solche Kündigung als sittenwidrig bekämpfen.“ Wegen Diskriminierung klagen könne ein Mann dagegen eher nicht, meint er und verweist auf die Formulierung im Gleichbehandlungsgesetz. Dieses verbietet eine Diskriminierung „aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat“. Dem Wortlaut nach muss es sich also jedenfalls (auch) um eine Benachteiligung des einen Geschlechts gegenüber dem anderen handeln. Und das wird bei einem Mann, der gekündigt wird, weil er vielleicht irgendwann in Elternkarenz gehen könnte, kaum der Fall sein – einer Frau könnte das genauso passieren (es sei denn, der Arbeitgeber lässt nur Frauen in Karenz gehen und akzeptiert es bei Männern nicht).

Denkbar wäre auch eine Kündigungsanfechtung wegen eines „verpönten Motivs“ nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG). Ob man in dem Beispielfall damit durchkäme, sei aber ebenfalls fraglich, meint Lukanec. Denn dafür muss es strittige Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis geben, die er „offenbar nicht unberechtigt“ geltend macht, Und das muss letztlich zur Kündigung führen. Kann man aber einen „Anspruch“ auf Elternkarenz geltend machen, solange man noch gar kein Kind hat? Darüber lasse sich streiten, sagt Lukanec.

Für eine Kündigungsanfechtung nach ArbVG gelten im Übrigen kurze Fristen, und für Mitarbeiter in Kleinbetrieben mit weniger als fünf Arbeitnehmern ist sie ausgeschlossen. Sittenwidrigkeit könnte man aber auch dort geltend machen. Eine Hürde gibt es dabei jedoch: „Wer sich darauf stützt, hat die volle Beweislast dafür“, sagt Lukanec. „Jemandem ein Motiv nachzuweisen, ist aber meist schwierig.“ Denn Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, einen Grund für die Kündigung anzugeben. Bei einer Klage wegen Diskriminierung hat der Arbeitnehmer es diesbezüglich leichter, da genügt es, das verpönte Motiv bloß glaubhaft zu machen.

Ufert Kündigungsschutz aus?

Was ändert sich nun durch die aktuelle OGH-Entscheidung? Sie habe für den besagten Diskriminierungstatbestand – „Geschlecht, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand“ – eine weitere Auslegung gebracht, sagt Mertinz. Das Höchstgericht betone hier die Unzulässigkeit von Motivkündigungen. Zumindest davon sollten auch Männer in vergleichbaren Situationen profitieren. Dass das Urteil den Kündigungsschutz ausufern lasse, wie nicht wenige Arbeitgeber befürchten, glaubt Mertinz übrigens nicht. Sie meint, diesbezügliche Missverständnisse könnten auch damit zusammenhängen, dass es beim Thema Diskriminierung in letzter Zeit vor allem um ältere Arbeitnehmer ging. Und es so manchen Arbeitgeber jetzt irritiert, dass sich offensichtlich auch Jüngere gegen eine Kündigung wehren können.

Elternkarenz ist übrigens nicht das einzige Streitthema in diesem Zusammenhang. Weitaus häufiger werde seiner Erfahrung nach wegen der Elternteilzeit gestritten, sagt Lukanec. Auf diese besteht in Betrieben ab 20 Mitarbeitern ein Rechtsanspruch samt weitreichendem Kündigungsschutz während der ersten vier Lebensjahre des Kindes. Für die Zeit danach – bis zum siebenten Geburtstag des Kindes – steht ausdrücklich im Gesetz, dass eine Kündigung wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen Elternteilzeit anfechtbar ist.

AUF EINEN BLICK

Verpönte Kündigungsmotive. Einer Frau, die wegen einer möglichen künftigen Schwangerschaft ihren Job verloren hatte, sprach das Höchstgericht Schadenersatz wegen Diskriminierung zu. Sie hätte die Kündigung auch anfechten können. Laut Experten wäre es genauso ein verpöntes Kündigungsmotiv, wenn ein Mann den blauen Brief bekommt, weil er in Elternkarenz gehen will (wobei aber unklar ist, ob hier ebenfalls der Diskriminierungsschutz greift oder anders vorzugehen wäre). Man kann sich gegen eine Kündigung aber nur wehren, wenn das Motiv klar ist. Der Arbeitgeber muss es nicht angeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2014)

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