Liftkartell: EuGH erweitert Schadenersatz um Umbrella-Schäden

(c) Michaela Bruckberger
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Wer überteuert einkaufen muss, weil ein Kartell die Preise auch bei Mitbewerbern getrieben hat, kann von den Kartellanten Schadenersatz verlangen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erweitert den Schadenersatz im Kartellrecht: Nach einem heute veröffentlichten Urteil zu einem österreichischen Fall (C-557/12 – Kone AG u.a.) können Kartellmitglieder auch für solche Schäden haftbar gemacht werden, die Kartellaußenseiter herbeigeführt haben. Die ÖBB-Infrastruktur AG, die das Verfahren in Österreich betrieben hat, kann nun auf Ersatzzahlungen hoffen, die nach österreichischem Recht bisher nicht vorgesehen waren. Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien muss jetzt noch klären, welche Schäden genau zu ersetzen sind.

"Umbrella Pricing"

Beklagt sind die Beteiligten des sogenannten Liftkartells: Kone, Otis, Schindler, ThyssenKrupp. Die Hersteller von Aufzügen und Rolltreppen hatten Absprachen getroffen, die sich über mehrere EU-Länder erstreckt hatten. In der mit Spannung erwarteten Entscheidung geht es um das Phänomen „Preisschirmeffekt“ oder, auf Englisch, „Umbrella Pricing“. Ihm liegt die Beobachtung zu Grunde, dass Unternehmen, die selbst nicht an einem Kartell beteiligt sind, gleichsam unter dem Schirm des Kartells höhere Preise erzielen: Dank der tendenziell preissteigernden Absprachen der Kartellanten verlangen sie, wissentlich oder unwissentlich, mehr, als sie unter sauberen Wettbewerbsbedingungen verlangen könnten. Die am Liftkartell beteiligten Unternehmen wurden bereits auf EU-Ebene und in Österreich zu Bußgeldern verurteilt; nun aber sehen sie sich auch Klagen zahlreicher geschädigter Abnehmer in Millionenhöhe gegenüber.

So klagten vor dem Hintergrund des Liftkartells die ÖBB, dass sie bei Kartellaußenseitern überhöhte Preise für Aufzüge gezahlt hätten. Sie verlangten von den vier am Kartell beteiligten Unternehmen Schadenersatz. Der OGH sah dafür nach heimischem Recht keine Möglichkeit; er war sich aber nicht sicher, ob dies auch dem Unionsrecht entspricht, und fragte deshalb beim EuGH nach.

Kartellverbot effektiv machen

Der EuGH folgte im Wesentlichen den Schlussanträgen von Generalanwältin Juliane Kokott. Sie hielt einen kategorischen Ausschluss einer Haftung von Kartellanten für Preisschirmeffekte für unzulässig. Diese Effekte seien für die Beteiligten eines Kartells nicht generell unvorhersehbar, und ihre Wiedergutmachung entspreche der Zielsetzung des unionsrechtlichen Kartellverbots. Es würde der praktischen Wirksamkeit dieser Wettbewerbsregeln widersprechen, wollte man den Ersatz solcher Schäden im Rahmen des nationalen Zivilrechts kategorisch ausschließen.

EU-weite Bedeutung

Anwalt Alexander Egger (Lansky, Ganzger + Partner) spricht von einem „Meilenstein“ im Rechtsschutz: Private Enforcement im Kartellrecht werde dadurch deutlich erweitert. Der EuGH stelle klar, dass der kategorische Ausschluss des Ersatzes für Umbrella-Schäden mit dem Kartellverbot unvereinbar ist. Der Ausgang dieses Verfahrens habe nicht nur Auswirkungen auf etliche laufende Schadenersatzprozesse gegen die Liftkartellanten. Das Urteil habe EU-weite Bedeutung für die Rechtsfolgen von Kartellen überhaupt.
Freilich: Es muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob kartellbedingt Preisschirmeffekte aufgetreten sind. Die Erhebung eines solchen Schadens ist aber sehr schwierig. Theoretisch könnten sogar Privatpersonen den Ersatz von Umbrella-Schäden verlangen. Sie werden aber durch ein hohes Prozesskostenrisiko behindert.

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