Kartellrecht: Vertriebssysteme auf dem Prüfstand

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Von Adidas bis Pioneer: Die Fälle, in denen sich die Wettbewerbshüter an den Einschränkungen des Onlinehandels durch Markenartikel-Hersteller stoßen, häufen sich.

Wien. Dass Anbieter von Markenware oft den Onlinevertrieb ihrer Produkte auszuschließen versuchen, ist in letzter Zeit ein großes Thema für die Wettbewerbshüter. In Deutschland wurde gegen Adidas und Asics ermittelt, in Österreich gegen Unternehmen der Elektronikbranche. Es wurden auch schon Kartellstrafen verhängt, unter anderem gegen Media-Saturn, Grundig Intermedia und Pioneer. In Deutschland erklärte sich Adidas bereit, seine Vertriebsbedingungen zu ändern („Die Presse“ berichtete). Mit Asics wird noch verhandelt.

Was bedeutet das für andere Markenartikler und Konsumenten? Das Angebot von Markenware auf Onlinemarktplätzen wie Amazon oder eBay wird wohl wachsen, ebenso der Preisdruck auf die Fachgeschäfte. Und: Anbieter müssen bei der Gestaltung ihrer Vertriebssysteme künftig vorsichtiger sein.

Handelsverbot geht zu weit

Im Fall Adidas habe es im Wesentlichen drei Themen gegeben, sagt Martin Eckel, Kartellrechtsexperte bei Taylor Wessing enwc: Handelsverbote auf Marktplätzen wie Amazon oder eBay, ein Verbot für Vertragshändler, Preisinformationen an Vergleichsplattformen wie geizhals.de zu liefern. Und als letzten Punkt eine Klausel, die quasi als zusätzliche Absicherung diente: Die Marke dürfe auf Onlinemarktplätzen nicht verwendet werden. All das geht nach Ansicht des deutschen Bundeskartellamts zu weit.

In der Elektronikbranche wiederum ging es laut Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) um „kartellrechtswidrige Preisabstimmungen in Bezug auf die Weiterverkaufspreise des Handels“. Werde im Zusammenhang mit Preisbindungsmaßnahmen ein Absatzkanal – der Onlineverkauf – behindert, liege ein Wettbewerbsverstoß vor. Auch die Ausschaltung bzw. Behinderung eines preisaktiven Internetanbieters könne dazu dienen, „die insgesamt herrschende Preisstabilität aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen“. Mehr über die konkreten Sachverhalte verriet die Behörde nicht – wohl aber, dass eine Studie der Wirtschaftsuni zum Onlinehandel Auslöser der Untersuchung war. 47,2 Prozent der von der WU befragten Onlinehändler hatten angegeben, die Elektronikindustrie gebe Weiterverkaufspreise vor und übe bei Unterschreitungen des Preisniveaus Druck aus, zum Beispiel durch Kündigung des Selektivvertrages oder Lieferverweigerung.

Dass das verboten ist, ist an sich nicht neu und wurde nun wieder bestätigt. Andererseits darf auch der Fachhandel keinen Druck auf Lieferanten ausüben, etwa vor Weihnachten die Lieferkapazität von Onlinehändlern künstlich zu verknappen – auch das soll hier ein Thema gewesen sein.

Was aber weiterhin fehlt, sind klare Vorgaben, wie Vertriebssysteme nun wirklich gestaltet werden dürfen. Gerade in Sachen Onlinehandel seien die Leitlinien der EU-Kommission unpräzise, sagt Lukas Feiler, IT-Rechtsexperte bei Baker & McKenzie. Aber auch innerstaatlich fehle eine klare Linie: In Deutschland sei die Rechtsprechung uneinheitlich, in Österreich gebe es noch keine gesicherte Judikatur.

Abgeltung für Fachberatung

Selektive Vertriebssysteme – die Vertragshändlern bestimmte Mindestanforderungen auferlegen – sind indes weiterhin erlaubt, daran gibt es keinen Zweifel. So kann ein Hersteller von Markenartikeln von seinen Vertragshändlern verlangen, dass sie neben dem Onlineverkauf auch einen stationären Handel betreiben. Und zwar in einem repräsentativen Umfang und mit entsprechend vielfältigem Sortiment.

Der Lieferant darf das dem Händler auch versüßen, indem er ihm eine Abgeltung für die Kundenberatung im Fachgeschäft zahlt, sagt Eckel. Bekanntlich nehmen Kunden diese ja gern in Anspruch und kaufen dann billiger online. Da wäre es ein Trostpflaster für den Fachhändler, wenn der Lieferant die Beratungsleistung honoriert. „Manche tun das schon, und der Handel wird es zunehmend einfordern“, ist Eckel überzeugt. Kartellrechtlich sei es erlaubt, allerdings sollte ein Fixbetrag vereinbart werden, kein Prozentsatz des Verkaufspreises.

Ebenfalls zulässig wäre es laut Eckel, würde es sich ein Hersteller vorbehalten, selbst den Vertriebsweg über Amazon und eBay zu nützen. Bei den Händlern käme es allerdings kaum gut an. Und eines dürfte man dann wohl nicht: sich diese Kanäle zwar exklusiv sichern, sie dann aber nicht verwenden.

All das ist in Österreich und Deutschland wohl ähnlich zu sehen. Aber ausgerechnet beim Onlinevertrieb gibt es dank der mehrdeutigen Formulierung in den Leitlinien keine EU-weit einheitliche Linie. „Klare Vorgaben der Kommission wären wünschenswert“, sagt Feiler. „Es sollten in der gesamten EU gleiche Spielregeln gelten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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