Angermair: „Kritik des Rechnungshofs ist überschießend“

Thomas Angermair
Thomas Angermair(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Vielfach sei der RH-Bericht zu den Bundestheatern zu relativieren, sagt Angermair, der Anwalt von Ostermayer. Auf Schadenersatzansprüche gegen Ex-Holding-Chef Springer will er jedoch nicht verzichten.

Die Presse: Der Bericht des Rechnungshofs (RH) über die Bundestheater-Holding liegt seit zwei Wochen vor. Der Holding, allen voran ihrem Geschäftsführer Georg Springer, aber auch der Politik wird ein denkbar schlechtes Zeugnis erteilt. Kulturminister Josef Ostermayer hat stets betont, von den Ergebnissen des Berichts allfällige weitere rechtliche Schritte gegen Georg Springer und auch den Aufsichtsrat abhängig zu machen. Wozu raten Sie nun dem Minister?

Thomas Angermair: Wir haben schon auf Basis des Rohberichts des RH in unserem Memorandum Empfehlungen abgegeben. Nachdem sich Roh- und Endbericht nur marginal unterscheiden, können wir an diesen weiterhin festhalten.

In der Zwischenzeit hat Springer seine Funktion als Geschäftsführer zurückgelegt. Wäre er heute noch im Amt, hätten Sie nun zu seiner Entlassung geraten?

Nein, hätte ich nicht. Der RH-Bericht ist für meine rechtliche Beurteilungen nicht allein ausschlaggebend. Denn der RH hat eine ganz andere Funktion als die ordentlichen Gerichte. Sein Bericht hat daher auch keinerlei Bindungswirkung in einem Gerichtsprozess. Als Springer, als Hartmann, als Aufsichtsrat kann ich jederzeit den Gegenbeweis zu den Ausführungen des Rechnungshofs antreten.

Wozu hat man dann überhaupt den Endbericht des RH abgewartet, wenn er für rechtliche Entscheidungen auf einmal doch nicht so relevant ist?

Ich verstehe den Einwand, aber der RH-Bericht hat vor allem politische Dimensionen. Für den Minister geht es darum, Folgerungen abzuleiten, etwa, wie die Holding in Zukunft gestaltet werden soll.

Und für Sie als sein Rechtsanwalt?

Er indiziert für mich, dass es im Konzern der Bundestheater-Holding, ganz besonders im Burgtheater, gravierende Mängel gegeben hat und Sorgfaltspflichten verletzt worden sind, die zu der gegenwärtigen Situation geführt haben. Ich habe mir nun auch die gesamten Aufsichtsratsprotokolle der Holding und jene des Burgtheaters angesehen. In der Zusammenschau komme ich zu dem Ergebnis, dass die Feststellungen des Rechnungshofs in großen Teilen zu relativieren sind.

Inwiefern?

In sehr vielen Punkten übt der RH aus meiner Sicht überschießend Kritik an der Holding und deren Organen. Das fängt damit an, dass man sich an der fehlenden Dreijahresplanung festbeißt. Sie hat ihre Ursache ausschließlich darin, dass man die für die Budgets erforderliche Basisabgeltung noch nicht zugesagt bekommen hat. Die Planungen waren vorhanden, die Budgets konnten aber nicht beschlossen werden, weil die Abstimmungsprozesse mit der Politik noch im Laufen waren. Der RH bemängelt auch die Quartalsberichte, was mir nicht gerechtfertigt erscheint. Da geht es um das Dilemma, dass ein vom Finanzministerium vorgegebener Quartalsbericht zu erstellen war, der aber in vielerlei Hinsicht nicht aussagekräftig ist. Holding und Bühnengesellschaften hatten und haben aber ohnehin ein Berichtswesen, das sehr viel genauer als diese Quartalsberichte ist.

Sie vertreten jene Argumente, die auch Springer in seiner Stellungnahme gegenüber dem RH dargelegt hat. Den RH haben sie aber nicht überzeugt, sie hatten keinen Einfluss auf den Endbericht.

Einige Argumente, die ich aus den Protokollen selbst ersehen habe, decken sich vermutlich mit jenen Springers. Ich muss mir von diesem Bericht losgelöst überlegen, wie sich der Sachverhalt darstellt, und darauf basierend meine Empfehlungen abgeben. Eines kann ich sicherlich sagen: Der RH-Bericht liefert Indizien für eine Organhaftung von Springer als Geschäftsführer. Ich empfehle daher, dass wir mögliche Ansprüche gegen das Organ Springer genau weiterverfolgen. Das hat zur Folge, dass die Auflösungsvereinbarung, die wir mit Springer erzielen wollen, keine Generalklausel, also keinen Verzicht auf allfällige Ansprüche enthalten darf. Deren Höhe ist derzeit auch noch nicht genau feststellbar. Und um zu beurteilen, ob sie dem Grund nach bestehen, muss man die Prozesse von Matthias Hartmann und Silvia Stantejsky abwarten. Wenn es den beiden gelingt, Teile der Verantwortung auf Springer abzuwälzen, ist die Konsequenz ganz klar: Dann trägt Springer eine Mitverantwortung.

Und Hartmann und Stantejsky wären – jedenfalls teilweise – entlastet?

Ganz und gar nicht. Wenn man im Zuge des Prozesses zu dem Ergebnis kommt, Springer trifft eine Mitverantwortung, exkulpiert das die beiden ehemaligen Geschäftsführer überhaupt nicht.

Bei Springer gelten also andere Maßstäbe als bei Hartmann und Stantejsky? Die beiden wurden entlassen, Springer nicht.

Ja, sie hatten eine andere Funktion, daher ist der Maßstab, der für sie gilt, ein anderer. Die Verantwortlichkeiten der Geschäftsführer der Burg unterscheiden sich von jenen, die Springer als Geschäftsführer der Holding getroffen haben. Springer hat möglicherweise seine Kontrollpflichten schuldhaft verletzt. Die Geschäftsführer der Burg haben ihre Pflichten auf andere Art verletzt. Es ist mir bewusst, dass die Anwälte Gegenteiliges behaupten werden, aber sie haben damit nicht recht.

Zurück zu Springer. Was soll noch Inhalt der Auflösungsvereinbarung sein?

Um dem Minister empfehlen zu können, vorerst keine gerichtlichen Schritte zu setzen, muss Springer einen Verjährungsverzicht abgeben. Das ist ein weiterer wichtiger Punkt. Die früheren Wirtschaftsprüfer der Holding, PricewaterhouseCoopers, haben sich offenbar geweigert, einen solchen abzugeben. Daher musste die Gesellschaft eine Klage gegen sie einbringen. Ich dränge auch darauf, und das ist ein weiterer wichtiger Punkt, dass Springer die beiden noch offenen Prämienzahlungen für die Geschäftsjahre 2012/13 und 2013/14 nicht ausgezahlt werden.

Apropos Prämienzahlung: Der RH kritisiert sowohl Inhalt als auch Zeitpunkt dieser Vereinbarungen mit Springer. Wer hat diese denn für den Minister unterzeichnet?

Diese beiden Zielvereinbarungen für 2012/13 und auch 2013/14 wurden von Springer und Sektionschef Michael Franz unterzeichnet.

Ist aus Ihrer Sicht gegen Franz, die Aufsichtsräte und die ehemalige Kulturministerin Claudia Schmied rechtlich vorzugehen?

In all diesen Fällen ist für mich rechtlich nicht viel zu holen. Franz war ein gewissenhafter Erfüller der Vorgaben seiner Ressortchefin. Er hat – soweit für mich ersichtlich – ausschließlich die Aufträge seiner Vorgesetzten erfüllt. Keine der ihm erteilten Weisungen war strafrechtswidrig oder überhaupt rechtswidrig. Ich sehe auch keinerlei Anhaltspunkte für eine disziplinarrechtliche Verfehlung bei ihm. Und zu Claudia Schmied: Sie war Ministerin, ist es aber nicht mehr. Hier stoße ich an die Grenzen der rechtlichen Prüfbarkeit.

Mit Springer wird der Inhalt der Auflösungsvereinbarung ja gerade erst verhandelt. Gehen Sie davon aus, dass Sie sich mit ihm werden einigen können?

So wie ich Springer kenne, gehe ich davon aus, dass es keine Probleme geben wird. Er wird, so denke ich, selbst anbieten, auf die ausstehenden Prämien zu verzichten. Aber Sie haben mich vorweg nach meinen Empfehlungen an den Minister gefragt – es gibt noch weitere.

Und zwar?

In dem Strafverfahren gegen Stantejsky wird auch gegen Springer und Hartmann ermittelt. Im Sinn einer effizienten und kostengünstigen Aufarbeitung des Sachverhalts müssen wir mit der Staatsanwaltschaft so intensiv wie möglich kooperieren. Wir müssen alles, Belastendes, aber genauso Entlastendes, den Strafbehörden zur Verfügung stellen. Für uns ist das wichtig, weil wir uns diesem Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen. Damit haben wir die Möglichkeit, in den Akt Einsicht zu nehmen und so weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Wir müssen feststellen, ob wir Schadenersatzansprüche gegen die Organe Springer, Hartmann und Stantejsky haben.

Die laufenden Prozesse von Hartmann und Springer werden darüber Aufschluss geben.

Ja, was die Zeugen unter Wahrheitspflicht vor Gericht sagen, ist für uns von größter Bedeutung.

Können Sie sich auch einen Vergleich mit Hartmann und Stantejsky vorstellen?

Bei Stantejsky sehe ich keine Notwendigkeit dafür, will aber den Kollegen nicht vorgreifen. Bei Hartmann würde ich mir wünschen, dass er es zu einem Ende bringt. Das setzt aber ein Szenario voraus, in dem die verursachten Schäden wiedergutgemacht werden. Dann kann man sich auch einvernehmlich mit ihm einigen. Dazu muss er jedoch zuerst seine Klage beim Arbeitsgericht zurückziehen.

Hartmann wird wohl ungern auf sein Salär bis 2019 verzichten. Es geht ihm aber vor allem auch um seine Reputation.

Die Zahlung seines Honorars ist nicht denkbar. Seine Reputation als Regisseur hingegen wurde nie in Zweifel gezogen. Ich würde es persönlich begrüßen, ihm die Gelegenheit zu geben zu zeigen, was er kann, sofern das für Frau Direktor Bergmann vorstellbar wäre. Rechtlich spricht dagegen gar nichts. Auf allfällige Schadenersatzansprüche werden wir jedoch – wie bei Springer – keinesfalls verzichten.

Die Organe von Burg und Holding sind haftpflichtversichert. Sollten Schadenersatzansprüche gegen Hartmann, Springer und Stantejsky geltend gemacht werden, müsste diese Managerhaftpflichtversicherung wohl dafür aufkommen?

Wir können zu einem Szenario kommen, dass der Schaden gutgemacht wird, indem wir die Organe in Anspruch nehmen. Diese können sich dann, sofern sie nicht mit konkretem Vorsatz, nämlich dolus directus, gehandelt haben, an die Directors-and-Officers-Versicherung wenden. Nach meiner Information wäre die Deckungssumme ausreichend, um alle allfälligen Schäden zu ersetzen.

Die Abgabenschulden machen einen großen Teil des Gesamtschadens aus. Wann ist klar, um welche Summen es genau geht?

Ausschlaggebend dafür ist die Prüfung des Finanzamts. Wir rechnen innerhalb der nächsten zwei Monate mit Erlassung des Bescheids. Sobald er rechtskräftig ist, können wir den Schaden der Höhe nach schon deutlich besser konkretisieren.

ZUR PERSON

Dr. Thomas Angermair ist Partner der Wirtschaftssozietät Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte. Der Arbeitsrechtsexperte wurde Anfang März von Kulturminister Josef Ostermayer damit beauftragt, die straf-, gesellschaftsrechtliche und schadenersatzrechtliche Verantwortung der Organe des Burgtheaters und der Bundestheater-Holding zu prüfen. Nach dem Endbericht des Rechnungshofs zur Bundestheater-Holding ließ Kulturminister Ostermayer Angermair nun auch prüfen, ob gegen die frühere Ministerin Claudia Schmied und Sektionschef Michael Franz rechtlich vorzugehen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

PK ´PR�SENTATION DER NEUEN BURGTHEATER-DIREKTION´: OSTERMAYER / BERGMANN
Bühne

Burgtheater: „Der Turm, auf den alle schauen!“

Applaus für Bergmann, die bis 2019 Burg-Chefin sein wird, bei der Pressekonferenz am Dienstag. Kulturminister Ostermayer berichtete von „emotionaler Zustimmung“ im Aufsichtsrat. Bergmann wählt Europa als Motto.
Karin Bergmann
Leitartikel

Nach der Burgtheater-Operette setzt eine erfahrene Frau den Kurs

Kulturminister Josef Ostermayer macht Interimslösung Karin Bergmann definitiv zur Direktorin bis 2019. Das ist eine vernünftige Entscheidung.
Designated director of Vienna´s Burgtheater Bergmann addresses a news conference in Vienna
Bühne

Burgtheater-Chefin Bergmann stellt künftiges Programm vor

Martin Kusej, Andreas Kriegenberg und Alvis Hermanis kehren an die Burg zurück. Karin Bergmann, die bis 2019 die Leitung übernimmt, will auch Regisseure aus dem Osten einladen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.