Verbot des Abzugs von Aufwendungen verfassungswidrig?

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Privater Grundstücksverkauf. Mit der neuen Immobiliensteuer wurde 2012 das Verbot eingeführt, Aufwendungen für den Ankauf von Immobilien von einem Veräußerungsgewinn steuermindernd abzuziehen.

Wien. Das Bundesfinanzgericht (BFG) hält das Abzugsverbot von Aufwendungen bei privaten Grundstücksveräußerungen für verfassungswidrig. Es hat die Aufhebung der Regelung beim Verfassungsgerichtshof beantragt.

Ein Ehepaar hatte 2008 ein Baugrundstück erworben und durch einen Fremdwährungskredit finanziert. Kurz nach Einführung der neuen Immobiliensteuer im Jahr 2012 wurde das Grundstück gewinnbringend veräußert, mit dem Gewinn musste aber ein beträchtlicher Fremdwährungsverlust abgedeckt werden. Da die neue Immobilienbesteuerung anstelle des progressiven Steuertarifs von bis zu 50% einen einheitlichen Steuersatz von 25% vorsieht, ist im Gegenzug ein Abzug von Aufwendungen nicht zulässig. Der Kursverlust durfte deshalb nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Dadurch wurde im vorliegenden Fall aber mehr als der gesamte tatsächliche Gewinn wegbesteuert. Die Steuerbelastung betrug 173%, und aus dem Gewinn wurde ein Verlust.

Das BFG hält das Abzugsverbot aus diesem Grund für verfassungswidrig. Die Bedenken werden noch dadurch verschärft, dass das Abzugsverbot sogar dann gilt, wenn der Steuerpflichtige die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Option zum progressiven Steuertarif nutzt. Aufwendungen sind also auch dann nicht abzugsfähig, wenn die Einkünfte freiwillig dem Regeltarif von bis zu 50% unterworfen werden. Dabei kommt nach Ansicht des BFG auch die „überfallsartige“ Einführung der neuen Immobilienbesteuerung, die den Betroffenen keine Gelegenheit gegeben hat, sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen, erschwerend hinzu (das Gesetz ist bereits einen Tag nach der Kundmachung in Kraft getreten). Die Argumentation des BFG ist überzeugend und entspricht auch der bisherigen Judikatur des VfGH. Dieser hat sich im Zusammenhang mit der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen immer wieder für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen ausgesprochen.

Sollte der VfGH das Abzugsverbot aufheben, würde sich jedoch ein Problem im Verhältnis zur Besteuerung von Kapitaleinkünften ergeben. Auch dort gilt im Gegenzug zur 25-Prozent-Kapitalertragsteuer ein Abzugsverbot von Aufwendungen (z.B. Bankspesen). Auch dieses ist selbst bei einer Option zur Besteuerung mit dem Regeltarif anzuwenden. Bei inländischen Kapitaleinkünften ist das Abzugsverbot durch das Endbesteuerungsgesetz verfassungsrechtlich abgesichert und einer VfGH-Prüfung entzogen.

Folgen für Kapitaleinkünfte

In der Wissenschaft wird zwar bezweifelt, dass das Endbesteuerungsgesetz auch bei Regelbesteuerung gilt. Der VfGH ist davon bisher jedoch ausgegangen. Ausländische Kapitaleinkünfte fallen nicht unter das Endbesteuerungsgesetz. Bei diesen hat der VfGH das in einfachem Gesetzesrang stehende Abzugsverbot jedoch unter Hinweis auf eine Gleichbehandlung mit inländischen Kapitaleinkünften gerechtfertigt.

Sollte der VfGH das Abzugsverbot im Zusammenhang mit Immobilienverkäufen aufheben, wäre dieses bei Kapitaleinkünften aufgrund der einfachgesetzlichen Regelung und der verfassungsrechtlichen Absicherung im Endbesteuerungsgesetz zwar weiter anzuwenden. Rechtspolitisch wäre das Abzugsverbot bei Kapitaleinkünften aber nicht mehr einzusehen. Das Endbesteuerungsgesetz gilt politisch als unantastbar, weil es die Höhe der KESt mit 25% begrenzt und eine Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Kapitalvermögen ausschließt. Die Schaffung des Endbesteuerungsgesetzes 1993 war rückblickend betrachtet zumindest insofern sinnvoll, als in Verbindung damit die KESt eingeführt wurde, die seither eine flächendeckende Besteuerung von Kapitalerträgen sicherstellt. Für eine Änderung des Endbesteuerungsgesetzes brauchte es eine Zweidrittelmehrheit und folglich die Zustimmung einer der großen Oppositionsparteien. Eine Änderung ist zwar unwahrscheinlich, könnte jedoch nicht nur die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen bei Kapitaleinkünften ermöglichen, sondern vor allem wesentlich mehr Dynamik und Gestaltungsmöglichkeiten in die aktuellen Steuerreformüberlegungen bringen.

AUF EINEN BLICK


Ass.-Prof. DDr. Hermann Peyerl, LL.M. ist an der Boku Wien tätig, er forscht derzeit an der Northwestern University in Chicago.Das Bundesfinanzgericht (BFG) ist seit Jahresbeginn tätig. Im Gegensatz zu seinem Vorläufer, dem Unabhängigen Finanzsenat, kann es Gesetzesprüfungsanträge an den Verfassungsgerichtshof richten. Das gilt als ein rechtsstaatlicher Fortschritt. Das BFG hat innerhalb kürzester Zeit dreimal und in jeweils gut begründeten Anträgen von diesem Recht Gebrauch gemacht hat: beim Abzugsverbot von Aufwendungen bei Immobilienverkäufen, beim Abzugsverbot von Managergehältern und im Zusammenhang mit der Vollziehung der Wiener Parkometerabgabe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)

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