Libro: Verfahren nicht korrekt?

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Der Fall Libro kommt vor den Menschenrechtsgerichtshof – wegen der langen Verfahrensdauer, aber auch wegen behaupteter inhaltlicher Fehler im Urteil.

Wien. Den Ehrgeiz, mit dem längsten Verfahren Mitteleuropas in die Justizgeschichte einzugehen, habe sein Mandant nicht, sagt Mathias Preuschl. Die Chancen, dass es letztlich darauf hinausläuft, stehen trotzdem nicht schlecht: Preuschl ist Anwalt von Ex-Libro-Finanzvorstand Johann Knöbl. Und dieser möchte, wie der „Kurier“ berichtete, seine Verurteilung wegen Untreue nicht hinnehmen. Er bringt seine Causa jetzt vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Knöbl sieht sich in seinem Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verletzt, unter anderem wegen der Verfahrensdauer von rund zwölf Jahren (die Ermittlungen begannen bald nach dem Libro-Konkurs im Jahr 2002, das höchstgerichtliche Urteil erging heuer).

Jetzt heißt es für ihn wieder warten, weitere ein, zwei Jahre, bis der EGMR entscheidet. Und dann? Dann ist eine mögliche Variante, dass der Prozess von vorn beginnt und neuerlich alle Instanzen durchläuft. „Nochmals zwölf Jahre wollen wir aber sicher nicht“, sagt Preuschl im Gespräch mit der „Presse“.

Folgen für andere Verfahren

Was man fürs Erste erreichen wolle, sei, dass der EGMR feststellt, dass der Libro-Prozess die Menschenrechtskonvention verletzt hat. Die Chancen darauf stehen nicht schlecht, von einer Konventionsverletzung – und zwar durch die „unangemessen lange“ Verfahrensdauer – spricht auch schon der OGH in seiner Entscheidung in der Causa (12Os117/12s). Zum Ausgleich dafür setzte er die Strafen für Knöbl und den ebenfalls angeklagten Ex-Libro-Chef Andre Maarten Rettberg herab und sprach nur bedingte Verurteilungen aus.

Schon das wertet Preuschl als Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es ihm nicht weit genug geht und er sich vom EGMR diesbezüglich neue Vorgaben erhofft. Interessant sei das auch für andere aktuelle Verfahren, meint er in Anspielung auf die Causa rund um die YLine-Pleite – dort dauerte es 13Jahre, bis heuer im Frühjahr endlich der Strafprozess begann.

Knöbl und sein Anwalt wollen aber noch mehr erreichen. Beim EGMR haben sie auch vorgebracht, im österreichischen Verfahren sei auf die „subjektive Tatseite“ zu wenig eingegangen worden, auch das verletze das Recht auf ein faires Verfahren.

Subjektive Seite nicht geprüft?

Diese subjektive Tatseite festzustellen ist beim Straftatbestand der Untreue recht diffizil: Der Täter muss seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbrauchen und dadurch dem anderen einen Schaden zufügen. Dass er missbräuchlich handelt, muss ihm somit bewusst sein. Und hinsichtlich des Vermögensnachteils, den der andere dadurch erleidet, muss er zumindest bedingten Vorsatz haben – einen solchen Schaden also ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden. Dieses subjektive Element sei nicht genau genug geprüft worden, kritisiert Preuschl. Der OGH habe sich vor allem damit auseinandergesetzt, ob tatsächlich „jemand anderem“ ein Schaden entstanden sei (was strittig war, weil die Dividendenausschüttung, um die es sich handelte, an die 100-Prozent-Anteilseignerin von Libro ging). Die Generalprokuratur verneinte das, der OGH bejahte es letztlich. „Aber wenn sogar die Generalprokuratur es nicht so sah, wie hätten es dann die beiden (Rettberg und Knöbl, Anm.) erkennen sollen?“

Urteil wird nicht gekippt

Ob sich der EGMR überhaupt auf eine Aussage dazu einlassen wird, ist nicht absehbar. Selbst wenn er aber – aus dem einen oder anderen Grund – einen Konventionsverstoß feststellt, bedeutet das noch keine Aufhebung des Strafurteils. Dazu müsste der Betroffene danach auch noch einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens stellen. Dann würde alles neu aufgerollt. Die Staatsanwaltschaft könnte die Anklage entweder fallen lassen, oder es käme zu einem neuerlichen Prozess mit ungewissem Ausgang – auch eine Verurteilung wäre wieder möglich. Wie wahrscheinlich sie wäre, hinge wohl auch stark vom konkreten Inhalt der Entscheidung des EGMR ab.

Ob man im Fall des Falles einen solchen Antrag auf Wiederaufnahme stellen würde, lässt Preuschl denn auch offen und deutet eine andere Alternative an, eine „elegante, österreichische Lösung, die noch dazu nichts kostet“: Man könnte dann ja auch beim Bundespräsidenten eine Begnadigung beantragen. Oder sich letztlich damit begnügen, es schwarz auf weiß zu haben, dass das Verfahren mangelhaft gewesen sei. Natürlich immer gesetzt denn Fall, dass der EGMR das tatsächlich auch so sieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2014)

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