Wie viel Fürsorge muss sein?

Burn-out
Burn-out(c) www.BilderBox.com
  • Drucken

Ein Arbeitgeber teilt seinem Vorgesetzten mit, dass er Burn-out-gefährdet sei. Am Folgetag kommt es zur einvernehmlichen Auflösung. Und dann?

Wien. Ein Mitarbeiter teilt in einem Mail seinem Geschäftsführer und seinen unmittelbaren Vorgesetzten mit, dass er ausgebrannt sei, sich dem Druck der Arbeit nicht mehr gewachsen fühle, Burn-out-gefährdet sei und sogar gelegentlich Selbstmordgedanken habe.

Am nächsten Tag führt der Geschäftsführer, der über die Arbeitsleistung dieses Mitarbeiters ohnehin schon länger nicht glücklich war, ein Gespräch. Er erklärt dem Mitarbeiter, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich auflösen zu wollen. Gleichzeitig sagt er ihm ausdrücklich, dass er keineswegs sofort zustimmen müsse, im Gegenteil: Er soll sich doch noch länger Bedenkzeit nehmen. Der Arbeitnehmer will aber gar keine Bedenkzeit in Anspruch nehmen, sondern stimmt der einvernehmlichen Auflösung sogleich zu.

Diesen Schritt bereut er jedoch im Nachhinein ganz offensichtlich. Er begehrt mit einer Klage die Feststellung, dass das Dienstverhältnis weiter aufrecht sei. Er argumentiert, dass die Übereinkunft sittenwidrig gewesen sei, weil ihn sein Arbeitgeber entgegen seinen Fürsorgepflichten und trotz des erkennbaren psychischen Ausnahmezustands zur Unterfertigung der Auflösungsvereinbarung veranlasst habe.

OGH: Kein Grund zur Korrektur

Die Gerichte erster und zweiter Instanz teilten seine Meinung jedoch nicht. Der Kläger wandte sich deshalb mit einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH). Der sah keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsmeinung abzugehen (OGH 9 ObA/56/14x). Trotz Erkrankung sei der Kläger in seiner Entscheidungsfähigkeit nicht beeinträchtigt gewesen. Vom wiederholt gemachten Vorschlag des Geschäftsführers, er soll sich eine längere Bedenkzeit bis zur Unterzeichnung der Auflösungserklärung nehmen, wollte der Kläger keinen Gebrauch machen.

Nachdem der Mitarbeiter nicht den Eindruck gemacht habe, er sei sich der Tragweite seiner Entscheidung nicht bewusst gewesen, liege auch keine Verletzung der Fürsorgepflicht seitens des Arbeitgebers vor. Davon, dass die Auflösungsvereinbarung auf sittenwidrige Art und Weise zustande gekommen sei, könne – so der OGH – keine Rede sein. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.