Jarolim will Mehrheitswahlrecht gegen Paralyse Österreichs

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PK SPOe-JUSTIZSPRECHER HANNES JAROLIM(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Bei einer Podiumsdiskussion wurde die Politik als zu wenig handlungsfähig kritisiert – auch von einem Politiker der SPÖ.

Rust. Österreich braucht eine geringere (Einkommen-)Steuerbelastung, ein besseres Bildungssystem und mehr Handlungsfähigkeit in der Politik: Das war der überraschend einhellige Tenor einer Diskussion am Freitag in Rust über Österreich im Standortwettbewerb. Überraschend deshalb, weil neben Anwalt und Professor Hanns F. Hügel, dem Geschäftsführer der Austrian Business Agency, René Siegl, und Immofinanz-Chef Eduard Zehetner auch ein Politiker der regierenden Koalition dabei war: Hannes Jarolim, Justizsprecher der SPÖ im Nationalrat und Rechtsanwalt.

Jarolim sparte also nicht mit Selbstkritik, als er den Arbeitsstil der Koalition beschrieb: „Wir gurken in der letzten Zeit schon auffällig lange herum.“ So kämen die Regierungsparteien bei der längst als notwendig erkannten Steuerreform „überhaupt nicht vom Fleck“. Die Universitäten seien „ein Problem“, die Schulen „kosten enormes Geld bei mäßigem Output“. Um die Paralyse des Landes zu beenden, hat Jarolim einen für einen SPÖ-Politiker ungewöhnlichen Vorschlag: „Ich wäre für ein Mehrheitswahlrecht.“ Die SPÖ war bisher überwiegend skeptisch bezüglich der Alternative zum Verhältniswahlrecht, die den politischen Wechsel begünstigt.

Leichtere Abwahl der Politiker

Prompte Unterstützung erhielt Jarolim von Anwalt Hügel, dem Leiter des Business Circle Jahresforums „Recht und Steuern“ (RuSt) in Rust. Denn nach Karl Popper sei jenes Wahlsystem am besten, das es den Bürgern am ehesten ermögliche, ihre Politiker abzuwählen. Und das sei nun einmal das Mehrheitswahlrecht.

Manager Zehetner ortet das Grundproblem der Politik im Fehlen des Problembewusstseins, der Einsicht, dass das im internationalen Vergleich ohnehin schon zurückfallende Land sich in einer ganz schwierigen Situation befinde. Nicht morgen und nicht in zwei, aber in drei bis zehn Jahren werde Österreich noch viel weiter zurückfallen, warnt Zehetner. Doch die Politiker bewegten sich in einem Paralleluniversum.

Für ABA-Chef Siegl ist Österreich immer noch vielfach an der Weltspitze, etwa bei Loyalität, Motivation und Produktivität von Mitarbeitern. Aber auch ihm bereitet das dauernde Abrutschen im Bildungsbereich große Sorge. Siegl ortet bei Lehrern wie bei Politikern eine Negativauslese – und doch hofft er, dass vordergründig unpopuläre politische Leadership vom Wähler belohnt wird. Neben der radikalen Kürzung von Förderungen wird als ein Schlüssel zum Erfolg gesehen, die Länder für ihre Ausgaben verantwortlich zu machen. Ergänzend verlangt Zehetner ein Defizitverbot: „Sonst ist Kärnten überall.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

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