Justizminister Brandstetter: "Ich habe keine Patentlösungen"

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Justizminister Wolfgang Brandstetter sprach auf Einladung der BWB über aktuelle Themen des Kartellrechts. Offene Fragen gibt es viele, Lösungen noch kaum.

Wien. „Wir haben es gern, wenn wir Rückenwind bekommen, damit sind wir nämlich nicht verwöhnt“, sagte Natalie Harsdorf, stellvertretende Geschäftsstellenleiterin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), nach dem Kurzreferat von Justizminister Wolfgang Brandstetter vergangenen Dienstag. Dieser war von der BWB eingeladen worden, um über die Schnittstelle von Kartell- und Strafrecht zu sprechen. Die Gelegenheit nutzte er, um Generaldirektor Theodor Thanner und sein Team ausgiebig zu loben. Er sei mit der BWB „sehr, sehr, sehr zufrieden. Jedes Mal, wenn ich Taxi fahre und mich über die hohen Spritpreise ärgere, denke ich mir: Ohne die BWB wären sie noch höher. Ich würde sagen: Ein Thanner entspricht 20 Cent.“

Doch zu Ernsterem: Widmen will sich Brandstetter – so sieht es auch das Regierungsprogramm vor – den verfahrensrechtlichen Regelungen für das in der kartellrechtlichen Praxis häufig beanspruchte Instrument des „Settlements“. Die letzte Studie des Wirtschafts- und Sozialbeirats kritisiert die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Höhe der bei Settlements beantragten Geldbußen. Ebenso missfällt die Bindung des Kartellgerichts an die von der BWB beantragte Geldbußenhöhe, die auf Kronzeugenfälle beschränkt werden soll. Doch genau diese Bindung verteidigt Brandstetter als zentral für das Funktionieren der Settlements: „Welche anderen Anreize als die Zusage einer gemilderten Geldbuße können denn sonst einem Unternehmer geboten werden, der bereit ist, durch eine selbstbelastende Aussage zur Aufdeckung eines Kartells beizutragen?“ Er betont überdies, dass die Kronzeugenregelung des Wettbewerbsgesetzes nicht auf die Aufdeckung eines Verstoßes anderer Unternehmen beschränkt sei, sondern auch „den Kronzeugen gegen sich selbst“ zulässt, sodass die Settlementfälle ohnedies auch unter die Kronzeugenregelung fielen.

„Es gab noch keinen Anwendungsfall“

Die Absicherung des Kronzeugenstatus ist ein anderer Punkt, der nicht nur den Justizminister beschäftigt. In aller Regel wird bei Kartellen ein Unternehmen, das von der kartellrechtlichen Kronzeugenregelung nach §11 Abs3 Wettbewerbsgesetz Gebrauch machen will, selbstbelastende Aussagen seiner Mitarbeiter benötigen, um die erforderliche Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts leisten zu können. §209b StPO sieht eine Sonderregelung für diese Fälle vor. Der Bundeskartellanwalt spielt dabei eine wichtige Rolle. Er soll den Wert der Aussage der Mitarbeiter beurteilen und der Staatsanwaltschaft darüber Bericht erstatten. Die Staatsanwaltschaft hat dann das Ermittlungsverfahren gegen sie unter Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen. „Die Rechtsanwaltschaft hat die Genesis dieser Regelung mit großem Interesse begleitet“, sagt der Kartellrechtsexperte Axel Reidlinger. „Aber gibt es dafür schon einen Fall in der Praxis, ich kenne nämlich keinen?“ Er hat recht. „Nein, einen Anwendungsfall dazu hatten wir noch nicht“, bestätigt Brandstetter.

Ob er eine Lösung für das Problem habe, dass Kronzeugen bezüglich der Geldbuße privilegiert würden, mit allfälligen Schadenersatzforderungen jedoch genauso zu rechnen hätten wie jeder andere Kartellant? „Dieses Spannungsverhältnis diskutieren wir oft“, so der Minister. „Wir haben keine Patentlösung, das Problem ist uns aber durchaus bewusst.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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