GmbH mal drei: Für den OGH ein „Sündenfall“

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Verfassungswidrig? Nach dem Hin und Her des Gesetzgebers bei den Regeln für die GmbH schaltet der Oberste Gerichtshof (OGH) jetzt den Verfassungsgerichtshof ein: „Rechtssicherheit und Vertrauensschutz bleiben auf der Strecke.“

Wien. Der Oberste Gerichtshof hat massive Zweifel, dass die GmbH light neu verfassungskonform ist. Die Koalition hat aus Gründen der Budgetknappheit im Februar mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 die GmbH light (Mindeststammkapital: 10.000 Euro) de facto – nach acht Monaten – wieder abgeschafft. Danach wird das Mindeststammkapital einer GmbH wieder auf 35.000 Euro angehoben. Als günstigereGründungsmöglichkeit wurde die sogenannte gründungsprivilegierte GmbH (GmbH light neu) eingeführt. Diese darf zwar mit 10.000 Euro gegründet werden, muss aber innerhalb von zehn Jahren auf ein Stammkapital von zumindest 35.000 Euro aufstocken.

In einem soeben ausgefertigten Beschluss fordert der OGH den Verfassungsgerichtshof auf, die neuerliche Änderung auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung hin zu überprüfen. Vor allem das Nebeneinander von drei verschiedenen „GmbH-Regimen“ könne laut OGH „nur als Sündenfall des Gesetzgebers bezeichnet werden“, sodass sich die Frage eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aufdränge. Für den OGH steht jedenfalls fest: „Rechtssicherheit und Vertrauensschutz blieben auf der Strecke.“ Die Aufhebung würde eine Rückkehr zur ursprünglichen GmbH light bedeuten.

Die Rückkehr zum Mindeststammkapital von 35.000 Euro ist bereits wirtschaftspolitisch überraschend, weil Österreich damit den weltweit höchsten Schwellenwert aufweist. Der europäische Schnitt liegt bei etwa 8000 Euro. Motiv waren nach den Materialien aber nicht wirtschaftspolitische oder gesellschaftsrechtliche Überlegungen, sondern bloß der drohende Steuerausfall: „Aus steuerrechtlichen Erwägungen [...] erscheint es geboten, das Mindeststammkapital der GmbH wieder auf den bis Mitte 2013 geltenden Betrag“ zu erhöhen.

Der Steuerausfall entstand dadurch, dass die Mindestkörperschaftsteuer, die fünf Prozent des Mindeststammkapitals für GmbHs beträgt, mit dessen Herabsetzung von 1750 auf 500 Euro gesunken ist. Diese Mindeststeuer trifft nur GmbHs, die nicht mehr als 7000 Euro Gewinn im Jahr erwirtschaften. Angeblich kann aber wegen der ungünstigen Wirtschaftslage jede dritte GmbH nur die Mindestkörperschaftsteuer zahlen. Daher wurde der Steuerausfall infolge der Reduktion mit jährlich 40 bis 50 Mio. Euro prognostiziert. Darüber hinaus bestand unter gewissen Voraussetzungen auch die Möglichkeit, das alte Stammkapital von 35.000 auf 10.000 Euro steuerneutral herabzusetzen – Grund für ein befürchtetes weiteres Minus von 125 Mio. Euro an Steuern in drei Jahren. Überraschung war das keine: Diese Zahlen stammen aus einer Schätzung des Gesetzgebers bei Einführung der GmbH light selbst.

Der OGH überrascht nicht nur mit seiner ungewöhnlich scharfen Kritik an der Vorgehensweise des Gesetzgebers. Er stellt auch die bisher gefestigte Rechtsansicht zur Bedeutung des Mindeststammkapitals als Gläubigerschutzinstrument allgemein infrage.

Verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen für den OGH vor allem folgende Punkte:

•Die allgemeine Rückkehr zum Stammkapital von 35.000 Euro, wenn – nach den Erläuterungen des Gesetzgebers zur GmbH light – Gläubigerschutzzwecke mit dem Stammkapital nur noch eingeschränkt erfüllt werden und bei vielen Unternehmen Stammkapital in dieser Höhe gar nicht nötig ist.

•Die Berechnung der Mindestkörperschaftsteuer von einem Mindeststammkapital von 35.000 € bei gründungsprivilegierten GmbHs, obwohl diese faktisch nur ein Stammkapital von 10.000 € haben.

•Die allgemeine Verpflichtung zur Aufstockung des Stammkapitals nach zehn Jahren, weil nach diesem Zeitraum die Insolvenzgefahr im Regelfall kaum mehr besteht. Auch erscheint die Befristung mit zehn Jahren als willkürlich und sachlich nicht gerechtfertigt.

•Die unterschiedliche Behandlung von als GmbH light gegründeten GmbHs, die das Stammkapital von 10.000 Euro bis 1. März 2024 beibehalten dürfen, den gründungsprivilegiert gegründeten GmbHs, die erst nach zehn Jahren das Stammkapital auf das gesetzliche Mindestmaß auffüllen müssen, und den Altgesellschaften (vor 1.Juli 2013), die keine Möglichkeit mehr haben, das Stammkapital auf 10.000 Euro herabzusetzen oder die Gründungsprivilegierung in Anspruch zu nehmen.

Sollte der VfGH die Bedenken des OGH teilen, bleibt dem Gesetzgeber nur ein kleiner Gestaltungsspielraum, um den Steuerausfall abzufangen. Eine Erhöhung des Stammkapitals auf 35.000 Euro soll dem OGH zufolge nicht ohne Weiteres möglich sein: „Es ist in der Tat nicht zu sehen, dass sich bereits acht Monate nach Inkrafttreten des GesRÄG 2013 (GmbH light) die Verhältnisse so grundlegend geändert hätten, dass nunmehr wieder entgegen den damaligen Erwägungen des Gesetzgebers ein höheres Stammkapital vonnöten sei.“ Das wirft die Frage der sachlichen Rechtfertigung auf.

Nach der Rechtsprechung des VfGH kommt die Erhöhung der Mindestkörperschaftsteuer auf 17,5Prozent des Mindeststammkapitals (das wären bei 10.000-Euro-GmbHs wieder 1750 Euro) wegen einer überproportionalen Belastung wohl ebenfalls nicht in Betracht (s. VfGH 24.1.1997, G 388-391/66). Die Bedenken des OGH lassen vermutlich keine andere Wahl, als zur GmbH light zurückzukehren. Daher ist gerade für Neugründer diese Entscheidung von erheblicher Bedeutung und sollte – nach Möglichkeit – abgewartet werden.


MMag. Dr. Varro LL.M. ist Anwalt bei DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2014)

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