Steuergeschenk bei Firmenautos?

Steuerrechtsexperte Doralt
Steuerrechtsexperte Doralt(c) Michaela Bruckberger
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Der Sachbezug wird zu niedrig besteuert, warnt Steuerrechtsexperte Doralt. Die Folge: Verluste von hunderten Millionen Euro pro Jahr. Das Finanzministerium will dies prüfen.

Wien. Firmenwägen und ihre unbegrenzte private Nutzung gehören in Österreich nicht nur zum „guten Ton“, sondern erfreuen sich auch steuerlicher Vorteile. So kommt es Arbeitgebern oft günstiger, ihren Angestellten ein Firmenauto zur Verfügung zu stellen, als ihnen eine Gehaltserhöhung auszuzahlen. 2013 lag der Anteil der Wägen, die auf Firmen, Gebietskörperschaften und „juristische Personen“ zugelassen wurden, bei 60,2 Prozent – so hoch wie nie.

So weit, so bekannt. Bisher unbemerkt blieb laut Steuerrechtsexperte Werner Doralt hingegen, dass Sach- und Barbezüge unterschiedlich besteuert werden. „Je nach Steuerprogression beträgt der Unterschied bis zu 100 Prozent, wobei es hier nicht um die Bewertung, sondern alleine um die Berechnung der Steuer geht“, sagt Doralt im Gespräch mit der „Presse“. Hinzu kämen falsch berechnete Lohnnebenabgaben und Sozialversicherungsbeiträge, die sich auch auf die späteren Pensionsansprüche auswirken könnten.

Netto- statt Bruttolohn

Tatsächlich müsste, so der Experte, beim Sachbezug die Lohnsteuer so ermittelt werden wie bei einer Nettolohnvereinbarung. Denn der Sachbezug, etwa das Firmenauto, verbleibt dem Arbeitnehmer für seinen Konsum in voller Höhe, also „netto“. Zieht man davon – wie derzeit üblich – die Lohnsteuer ab, entspricht der Restbetrag nicht mehr dem Wert des Sachbezugs. Daher sei es nicht zulässig, den Bruttobarbezug mit dem aus Barbezug und Sachbezug zusammengesetzten Bruttobezug gleichzusetzen. Die Folge: Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Leistungsfähigkeitsprinzip. In Doralts Worten: „Die Besteuerung von Sachbezügen, wie sie heute erfolgt, ist gesetzwidrig.“

Um zu korrekten, weil fair berechneten, Zahlen zu gelangen, schlägt der emeritierte Professor vor, vom Nettolohn auf den Bruttolohn „hinaufzurechnen“. Die Differenz ergebe dann die (neben den Sozialversicherungsbeiträgen) auf den Sachbezug entfallende Lohnsteuer (LStR Rz 1200). Das Ergebnis, so Doralt: „Eine Steuer in gleicher Höhe, egal, ob der Dienstnehmer die Leistung als Sachbezug erhält oder er sich den Sachwert selbst beschafft.“

Zurück zum Firmenwagen mit privater Nutzung: Geht man von Neuanschaffungskosten von 40.000 Euro aus, ergibt sich laut Sachbezugsverordnung (1,5 Prozent) ein Sachbezug von 600 Euro monatlich bis 7200 Euro pro Jahr. Bei einer Steuerprogression von 50 Prozent beträgt die Steuer, berechnet vom Sachbezug, 3600 Euro jährlich.

Nimmt man nun denselben Sachwert bei Eigenanschaffung zur Hand (in der Spitzenprogression mit 50 Prozent gerechnet), müsste der Dienstnehmer 14.400 Euro seines steuerpflichtigen Bezuges für das Fahrzeug aufbringen. Auf den Wagen würden damit 7200 Euro Steuer entfallen – 3600 Euro mehr als beim Sachbezug. Der Widerspruch besteht für jeden Sachbezug und in jeder Progressionsstufe.

Verschleppter Fehler

Doralt sieht die „gesetzwidrige Praxis“ in den Lohnsteuerrichtlinien bestätigt: Sie sprechen von einem „Hinzurechnungsbetrag“ (Rz 177 zum privat genutzten Firmenfahrzeug) und setzen den (Netto-)Sachbezug mit dem Hinzurechnungsbetrag zum Bruttobarlohn gleich, von dem Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge berechnet werden. Doralt: „Genau das ist unrichtig, entspricht aber der Praxis.“ Daher seien „auch die Lohnsteuerrichtlinien gesetzwidrig“. Denn: „Der Hinzurechnungsbetrag zur Lohnsteuerbemessungsgrundlage ergibt sich, wie bei einer Nettolohnvereinbarung, nicht unmittelbar aus dem Wert des Sachbezuges, vielmehr muss der Bruttolohn – also die Bemessungsgrundlage – aus dem Sachbezug erst abgeleitet werden.“

Wurzel des Übels ist demnach eine Verschleppung, die in der Nachkriegszeit begonnen hat. Auf breiter Basis gab es damals nur die sogenannte freie Station (Fälle, in denen der Dienstnehmer Wohnmöglichkeit und/oder die Mahlzeiten vom Dienstgeber gratis beigestellt erhält), die seit jeher niedrig bewertet wird. Der Marktwert von (Dienst-)Wohnungen orientierte sich zudem am Friedensmietzins, und Firmenwägen sowie deren private Nutzung waren äußerst rar.

Das Fazit des 72-Jährigen: Aus Gründen der Kostenersparnis und der Vereinfachung schien es naheliegend, den Sachbezug nicht auf einen Bruttobezug umzurechnen.

Von der Ausnahme zur Regel

Heute stellt der Sachbezug, allen voran bei Firmenfahrzeugen, jedoch keine Seltenheit mehr dar, wie Doralt auch in der Fachzeitschrift „Recht der Wirtschaft“ argumentiert. Im Gegenteil: Er wird gezielt als zusätzlicher Lohnbestandteil gewährt, aber zu niedrig besteuert. Folge seien Ausfälle im Steueraufkommen, bei den Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnnebenkosten, die von den nicht-begünstigten Steuerzahlern zu schultern sind. Die Größenordnung beziffert Doralt mit mehreren hundert Millionen Euro pro Jahr.

Auf Anfrage der „Presse“ hieß es im Finanzministerium dazu, man werde alle Vorschläge prüfen.

ZUR PERSON

Werner Doralt. Der Steuerrechtsexperte hat die Steuergesetzgebung der vergangenen Jahrzehnte in Österreich wesentlich mitgeprägt. Der gebürtige Wiener (*1942) studierte Rechtswissenschaften, promovierte 1968 und war danach im Wirtschaftstreuhand-Bereich tätig. 1973 legte er die Steuerberaterprüfung ab, habilitierte sich 1976 aus dem Fach Finanzrecht. In der Folge lehrte er als Universitätsprofessor in Innsbruck, ab 1998 in Wien. Seit 2010 ist er emeritiert. Doralt gründete auch die KODEX-Reihe und die Fachzeitschrift „Recht der Wirtschaft“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2014)

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