Direktvergaben: Fehlt Rechtsschutz?

Austria Center
Austria Center(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Kammerfunktionäre haben eine Arge gegründet, um gegen freihändige Auftragsvergaben vor Gericht zu ziehen.

Wien. Vergangenen Freitag hätten sie einander vor dem Landesverwaltungsgericht in Eisenstadt gegenüberstehen sollen: die Ziviltechniker-Arge Mayrhofer Sommer Bauer und Vertreter der Stadtgemeinde Oberwart. Der Grund für den Zwist: die Direktvergabe eines auf mindestens 750.000 Euro geschätzten Planungsauftrags für die Sanierung des Oberwarter Internats samt Zubau.

Die Gemeinde hatte diesen Auftrag einer anderen Arge zugedacht. Nämlich jener, die zuvor schon den Zuschlag für die Generalplanung der Sanierung und Erweiterung der angrenzenden Bundesschule erhalten hatte. Das verstoße gegen das Vergaberecht, argumentierten Christoph Mayrhofer, Bernhard Sommer und Peter Bauer. Die Gemeinde sah das anders: Man habe die Sache durch einen Rechtsexperten prüfen lassen, sagt Bürgermeister Georg Rosner zur „Presse“. Dieser habe befunden, dass es sich faktisch um eine Erweiterung des ersten Auftrags handle und alles rechtens sei.

Nun wird doch ausgeschrieben

Vor Gericht ausgestritten hat man es dann doch nicht. Knapp vor der Verhandlung – und nach einer gegen die Stadtgemeinde ergangenen einstweiligen Verfügung, die die Zuschlagserteilung vorerst stoppte – gab die Gemeinde nach, der Auftrag wird nun doch ausgeschrieben. Man wolle wegen dieses rechtlichen Grenzfalls keinen Streit, sagt Rosner – an sich schreibe man sowieso „jede Kleinigkeit“ aus. Die Arge wiederum betrachtet es als ihr Verdienst, dem Recht zum Durchbruch verholfen und dem Wettbewerb den Weg geebnet zu haben. Übrigens nicht zum ersten Mal: Auch gegen die Direktvergabe von Planungsleistungen im Zuge der Umgestaltung des Wiener Austria Center zogen Mayrhofer, Sommer und Bauer vor den Kadi. Dagegen erhoben sie Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht.

Der Effekt war ähnlich, der Auftraggeber IAKW-AG widerrief ebenfalls die beabsichtigte Vergabe. Unterschiedliche Rechtsstandpunkte gab es auch hier: Laut Claus Casati, dem Rechtsanwalt des Auftraggebers, waren die Generalplanerleistungen für das Projekt ohnehin Gegenstand einer EU-weiten Ausschreibung. Lediglich die Entwurfsleistung für Architektur habe man direkt vergeben wollen, und zwar „an den Sieger in der vorangegangenen Ideenfindung im Wettbewerb“. Auch diese Vergabe sei gesetzeskonform bekannt gemacht worden, das sei auf besagte Kritik gestoßen. Die architektonische Entwurfsleistung solle nun – sobald die nötigen internen Beschlüsse vorliegen – ebenfalls im Zuge des EU-weiten Vergabeverfahrens vergeben werden, sagt Casati.

Dass in beiden Fällen dieselben drei Ziviltechniker Einspruch erhoben haben, ist kein Zufall: Die Arge-Mitglieder sind auch Funktionäre in der Länderkammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, sie agieren hier also nicht nur in eigener Sache. Der Kammer ist es schon lang ein Dorn im Auge, dass sie selbst in solchen Fällen kein Einspruchsrecht hat. Sie wertet das als Rechtsschutzdefizit. Denn es kann zwar, wenn zum Beispiel eine Ziviltechnikerleistung zu Unrecht freihändig vergeben wird, prinzipiell jeder einzelne Ziviltechniker dagegen vorgehen. Nur hat er dabei nicht viel zu gewinnen: Der Auftrag kann ihm naturgemäß nicht zugesprochen werden – er ist ja kein übergangener Bestbieter. Eine Ausschreibung ist das Einzige, was man damit erreichen kann.

„Wer tut sich das schon an?“

Man müsse schon sehr idealistisch sein, um dafür das Verfahrensrisiko auf sich zu nehmen, sagt Sommer. „Nur professionelle Korruptionsaufdecker würden sich das freiwillig antun. Dem einzelnen Unternehmer ist das nicht zuzumuten.“ Zumal es auch ins Geld geht: Im Fall Austria Center sei zwar die hohe Pauschalgebühr vom Auftraggeber erstattet worden, auf mehr als 12.000 Euro Kosten für die eigene Rechtsvertretung sei die Arge aber sitzengeblieben, verlautet aus der Kammer. Auftraggeber seien somit bei freihändigen Vergaben „fein raus“, weil sich kaum jemand dagegen wehre. „Wenn aber Verstöße gegen ein Gesetz faktisch nicht sanktionierbar sind, dann ist es totes Recht“, sagt Sommer.

Die Kammer wünscht sich, dass im Zuge der anstehenden Vergaberechtsnovelle auch ein Einspruchsrecht für Berufsvertretungen eingeführt wird. Bei der geplanten Reform geht es bekanntlich um „mehr Fairness“ in Vergabeverfahren. Erst vorgestern, Dienstag, wurden die diesbezüglichen Sozialpartnerforderungen im Parlament diskutiert. Das Wort Direktvergaben fiel übrigens auch hier: Laut Staatssekretär Harald Mahrer soll die Schwellenwerteverordnung um weitere zwei Jahre, bis zum 31.Dezember 2016, verlängert werden. Nach dieser Verordnung können, soweit EU-rechtlich zulässig, öffentliche Aufträge im Bau-, Liefer- und Dienstleistungsbereich mit einem Volumen bis zu 100.000 Euro ohne Ausschreibung vergeben werden. Für Bauaufträge bis zu einer Million Euro gibt es darüber hinaus das sogenannte „nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung“. Dabei wird ebenfalls nicht ausgeschrieben, es müssen aber mehrere Vergleichsangebote eingeholt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.