Deutschland interessiert die österreichische Bilanzpolizei

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit der eigenwilligen Rollenverteilung zwischen der FMA und der Prüfstelle beschäftigen sich mittlerweile schon Gelehrte im In-, aber auch im Ausland.

Wien.Die Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) liegen im Clinch, das ist kein Geheimnis. Beide sind laut Rechnungslegungs-Kontrollgesetz (RL-KG) als Bilanzpolizei für das Enforcement-Verfahren zuständig. Seit 2014 unterliegen diesem in Österreich alle kapitalmarktorientierten Unternehmen. Welche Rolle der Behörde FMA und welche dem privaten Verein OePR bei dem Prüfverfahren zukommt, darüber streiten nicht nur die Protagonisten selbst, sondern mittlerweile auch Gelehrte im In- und Ausland.

Auch in Deutschland Thema

Schon im September erschien in dem deutschen Fachjournal „KoR“ (Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung) ein Artikel von Henning Zülch und zwei Ko-Autoren mit dem vielsagenden Titel:„FMA und OePR – Ein Beitrag zur derzeit ungeklärten Rollenverteilung im österreichischen Enforcement“. Zülch ist Professor für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling in Leipzig. Bei dem Text sei es ihm nicht nur um eine rechtliche Auseinandersetzung gegangen, sondern darum zu beschreiben, in welcher Weise das RL-KG von der FMA und der OePR tatsächlich gelebt werde, sagt Zülch: „Das Gesetz lässt ja einen großen Interpretationsspielraum zu.“ Sein These: „Die staatliche FMA agiert strikt subsidiär zur privatrechtlichen OePR.“ Das RL-KG und die Gesetzesmaterialien sähen unstreitig ein zweistufiges Verfahren vor. Prinzipiell führe also die Prüfstelle die Prüfung der Unternehmensabschlüsse durch. Dann folgt die Antithese: „Faktisch zieht die FMA das Enforcement an sich“, konstatiert Zülch. „Das seitens der FMA für selbstverständlich erachtete Ansichziehen von Anlassprüfungen und ihre umfassenden Eingriffsmöglichkeiten innerhalb des Verfahrens lassen dieses insgesamt eher als rein staatliches denn als zweistufiges Enforcement-Verfahren erscheinen.“

Vor wenigen Tagen ist ein weiterer Artikel in der „KoR“ erschienen, den Gerhard Muzak, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien, verfasst hat. Seine rechtliche Analyse, „Ist die Rollenverteilung zwischen FMA und Prüfstelle wirklich ungeklärt?“, steht Zülchs Antithese diametral entgegen. Es sei unzutreffend, dass der FMA eine dominante Rolle zustehe. Zülch unterstelle dem RL-KG einen verfassungswidrigen Inhalt, sagt Muzak. Das Gesetz garantiere der OePR absolute Weisungsfreiheit. Sie habe vorrangig zu prüfen, bedürfe dazu auch keinerlei Ermächtigung durch die FMA. Hingegen habe die FMA, so der Autor, nur in Ausnahmefällen zu prüfen.

Beide Artikel interessieren sicher auch Richterin Esther Schneider. Sie hat in heikler Mission zu entscheiden: über eine Beschwerde der OePR gegen den Bescheid der FMA, in dem die Behörde der Prüfstelle den diesjährigen Prüfplan vorgeschrieben hat. Dieser Hoheitsakt sei gesetzwidrig, so die OePR. Welchen Rechtsstandpunkt Schneider vertreten wird? Noch im Dezember sollte sie entscheiden. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2014)

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