Arbeitsrecht: Lohnverzicht statt Kündigungen?

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Kostensenkung durch Lohnverzicht: Das gab es auch früher schon, durch den „Fall Umdasch“ wurde es wieder aktuell. Rechtlich möglich ist es, aber nur innerhalb enger Grenzen.

Wien. Lohnverzicht oder möglicher Jobverlust: Darüber mussten kürzlich die Mitarbeiter der Umdasch-Tochter Shopfitting in Amstetten abstimmen („Die Presse“ berichtete). Das Ergebnis fiel eindeutig aus, 95Prozent erklärten sich mit Verhandlungen über Gehaltsanpassungen einverstanden. Als Alternative war eine „Reduktion des Produktionsvolumens“ zugunsten anderer, kostengünstigerer Standorte im Raum gestanden.

Wird dieses Beispiel nun Schule machen? Werden auch andere Unternehmen versuchen, angesichts der Konjunkturflaute ihre Kosten auf diese Weise zu senken? Ausgeschlossen ist das nicht: Auch in den Jahren 2008, 2009 sei das immer wieder vorgekommen, sagt Rolf Gleißner, Experte für Sozialpolitik bei der Wirtschaftskammer. Die Situation sei heute zwar nicht dieselbe wie damals, als „ganzen Branchen die Aufträge weggebrochen sind“. Für einzelne Unternehmen könne sich dennoch eine ähnliche Problematik ergeben, „dazu genügt es, dass ein wichtiger Kunde insolvent wird und wegfällt“.

„Oft nur vorübergehend“

Im Sinne eines „fairen Deals“ sei Lohnverzicht in Ordnung, meint er, „interne Flexibilität“ in Unternehmen sei letztlich immer besser als „externe“, sprich Personalabbau. In früheren Fällen habe es sich oft auch nur um eine vorübergehende Maßnahme gehandelt: „Sobald die Krise vorbei war, ist man wieder zum Status quo ante zurückgekehrt.“ Das könne auch von vornherein so vereinbart werden. Er wolle zwar Betrieben „nicht ausrichten, was sie tun sollen“, sagt der WKO-Experte. „Aber es ist wichtig, unterm Strich die Beschäftigung zu halten.“

Diese Ansicht dürften immer mehr Unternehmen teilen. Zunehmend werde erkannt, „dass Kündigungen nicht immer die wirtschaftlich beste Lösung darstellen“, sagt Philipp Maier, Arbeitsrechtsexperte und Partner bei Baker & McKenzie. Denn wer Personal abbaut, verliert wertvolle Ressourcen – und muss dafür womöglich auch noch Geld ausgeben, etwa für Abfertigungen oder Sozialplan. Nun gibt es bekanntlich auch andere Möglichkeiten, um vorübergehend Lohnkosten zu sparen, ohne sich von Mitarbeitern zu trennen – vom Propagieren der Altersteilzeit bis hin zur Kurzarbeit. Im Vergleich dazu habe Lohnverzicht den Vorteil, dass die gleiche Arbeitsleistung für geringeren Lohn erbracht wird, sagt Maier. Das macht solche Lösungen verlockend, wenn die vollen Kapazitäten gebraucht werden, weil die Auslastung an sich passt und das Kostenproblem auf einer anderen Ebene liegt. Hier zeigt sich aber auch schon die Problematik: Weniger Geld für unveränderte Arbeitszeit, darf das überhaupt sein?

Möglich sei es nur einvernehmlich, sagt Maier: „Die Zustimmung jedes einzelnen Mitarbeiters ist erforderlich.“ Eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat würde nicht reichen. Wenn es aber zum Beispiel um Prämien- oder Gewinnbeteiligungsmodelle geht, über die es eine Betriebsvereinbarung gibt, braucht man zusätzlich auch das Einverständnis der Belegschaftsvertretung. Generell kann ein Verzicht außerdem immer nur Gehaltsbestandteile betreffen, die über gesetzliche oder kollektivvertragliche Mindestansprüche hinausgehen. Unverzichtbar sind laut Gleißner etwa Mindestlohn, Überstundenzuschlag, Sonderzahlungen und gesetzliche Abfertigung. Überzahlungen über den KV-Lohn hinaus können dagegen einvernehmlich reduziert werden.

Aber selbst das hat Grenzen: Bei den jährlichen Lohnrunden vereinbaren die Sozialpartner oft nicht nur kollektivvertragliche Mindestlohn-, sondern auch Istlohnerhöhungen. „Diese dürfen dann nicht dadurch umgangen werden, dass man zwei, drei Monate später die Mitarbeiter auffordert, darauf zu verzichten“, sagt AK-Arbeitsrechtsexperte Christoph Klein. Kommt es zu einem Rechtsstreit darüber, sei es letztlich eine Beweisfrage, ob es tatsächlich betriebswirtschaftliche Zwänge für den Lohnverzicht gegeben hat oder ob es dem Arbeitgeber schlicht darum ging, Kollektivvertrags-Lohnerhöhungen auszuhebeln.

Vor Gericht bringen wird so etwas zwar kaum der einzelne Mitarbeiter, der Betriebsrat könnte es aber tun. Auch wenn er bei den Einzelvereinbarungen eines Lohnverzichts kein formales Mitspracherecht hat, kann er eine Feststellungsklage einbringen, wenn er der Ansicht ist, gesetzliche oder kollektivvertragliche Ansprüche der Mitarbeiter würden verletzt. Nicht zuletzt deshalb versuchen Unternehmen in solchen Fällen meist, auch den Betriebsrat mit an Bord zu holen.

Klein steht dem Thema Lohnverzicht naturgemäß skeptischer gegenüber als Gleißner. Im Einzelfall könne so etwas gerechtfertigt sein, um einen Standort zu schützen, meint er. Oft werde aber mit internationaler Billigkonkurrenz argumentiert, und das berge dann die Gefahr einer Abwärtsspirale. Breiter angewandt, schwäche es die Kaufkraft und führe zu einem volkswirtschaftlichen Problem. Klein würde das Thema deshalb am liebsten „auf die überbetriebliche Ebene heben“, bei Betrieben ab einer gewissen Größenordnung wünscht er sich ein Mitspracherecht der Gewerkschaft – was klarerweise bedeuten würde: beider Sozialpartner. Das würde auch Druck von den einzelnen Mitarbeitern wegnehmen, meint er.

Im Fall Umdasch kritisiert Klein vor allem, dass die Mitarbeiter namentlich über den Lohnverzicht abstimmen mussten. Ob das zulässig ist, hält er für fraglich, und zwar sowohl arbeitsrechtlich – wegen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers – als auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2014)

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