Bilanzpolizei: Die Industriellenvereinigung will Klarheit

(c) Michaela Bruckberger
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Welche Aufgaben hat die FMA beim Enforcement-Verfahren, welche die Prüfstelle? Darüber herrscht Streit. Ein neues Gutachten der Industriellenvereinigung prüft die Rechtslage.

Wien. Am Dienstag fand in der Industriellenvereinigung (IV) der Finanzpolitische Ausschuss statt, an dem Experten und Repräsentanten der Mitgliedsunternehmen teilnahmen. Bei der Zusammenkunft präsentierten die Vertreter der IV und des Aktienforums ein Gutachten zum Rechnungslegungs-Kontrollgesetz (RL-KG), das sie bei der Wirtschaftskanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz in Auftrag gegeben hatten. Über die Auslegung des besagten Gesetzes gibt es nämlich zwischen der Finanzmarktaufsicht (FMA) und der Österreichischen Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) grobe Divergenzen.

Zur Erinnerung: Beide, sowohl die FMA als auch die Prüfstelle, sind seit Beginn des Jahres als Bilanzpolizei für das sogenannte „Enforcement-Verfahren“ zuständig. Sie haben die Aufgabe, die Jahresabschlüsse und Lageberichte kapitalmarktorientierter Unternehmen auf Fehler zu prüfen. Die FMA soll als Kontrollbehörde fungieren, die OePR die eigentliche Prüfungstätigkeit abwickeln. Der SPÖ war dieses Modell stets ein Dorn im Auge. Viel lieber hätte sie alle Aufgaben der Bilanzpolizei ausschließlich bei der FMA angesiedelt gesehen. Die ÖVP hingegen setzte sich für eine zweistufige Variante ein, in dem einem privaten Verein, der Prüfstelle, in erster Instanz umfassende Kompetenzen zukommen. Das Ergebnis: ein Kompromiss. Ein schlechtes Gesetz, das ein eineinhalbstufiges Modell vorsieht und Machtkämpfe zwischen FMA und OePR vorprogrammiert.

Unternehmen sind irritiert

Die ließen nicht lange auf sich warten. Ein Bescheid, in dem die FMA die OePR hochoffiziell beauftragte, welche Unternehmen sie 2014 zu prüfen haben, führte schon im Februar zu frostiger Stimmung zwischen den Akteuren. Die OePR bekämpfte diesen Bescheid als gesetzwidrig mit der Begründung, die FMA habe sie nicht zu beauftragen. Die heikle Beschwerde liegt jetzt beim Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung.
Doch der Disput zieht noch weitere Kreise. Der Streit um die Macht werde auch auf dem Rücken der Mitglieder der IV ausgetragen, beklagt man dort. Bei einigen Unternehmen seien in den letzten Monaten auf einmal Fragebögen der FMA eingelangt, verbunden mit der Aufforderung, detailliert über Jahresabschluss und Lagebericht und noch einiges mehr Auskunft zu geben.

Das Vorgehen der Behörde irritierte die angeschriebenen Unternehmen. Waren sie doch davon ausgegangen, dass primär die Prüfstelle für die bilanzpolizeiliche Kontrolle zuständig ist. Doch niemand, so hört man hinter vorgehaltener Hand, habe sich bei der FMA zu fragen getraut, was es mit den investigativen Schreiben eigentlich auf sich hat. Zähneknirschend habe man sich dazu entschieden, lieber brav zu antworten. Eine verstimmte Behörde kann Probleme machen, so das Kalkül dahinter.

Aber es gibt ja Interessensvertretungen. Die IV hat für ihre Mitglieder klären wollen, wie die Sache rechtlich zu beurteilen ist. Deshalb habe sie ein Gutachten in Auftrag gegeben und vier Fragen klären lassen: Welche Kompetenzen hat die Prüfstelle? Inwiefern ist sie unabhängig? Welche Pflichten haben FMA und OePR wechselseitig? Hat die Prüfstelle etwaige Weisungen der FMA zu befolgen?

FMA subsidiär zur Prüfstelle

Die Autoren des 20-seitigen Papiers, die beiden Rechtsanwälte Robert Keisler und Oliver Werner, kommen sinngemäß zu folgendem Ergebnis: Das Gesetz sehe zwei Enforcement-Varianten vor. Gibt es keine Prüfstelle, hat die FMA umfassende Prüfungsbefugnis (Variante 1). Gibt es jedoch eine, ist alles anders (Variante 2). Nun hat die damalige Finanzministerin Maria Fekter im Mai 2013 per Bescheid eine Prüfstelle eingerichtet und sich somit für Konzept zwei entschieden. Damit sei die OePR, so die Verfasser, zur Prüfung der Unternehmensabschlüsse gesetzlich ermächtigt und verpflichtet.

Die FMA hingegen agiere in diesem zweistufigen Verfahren als Kontrollbehörde subsidiär zur Prüfstelle. Befugnisse, auf interne Dokumente der Prüfstelle zuzugreifen, habe sie nicht. Die OePR sei keine nachgeordnete Behörde oder Dienststelle der FMA, sondern stehe als eigenständige Prüfungseinrichtung der FMA gegenüber. Nur in den Fällen des § 3 Abs. 1 RL-KG könne die FMA eine Prüfung an sich ziehen und sich der OePR als Hilfsorgan bedienen: Dann etwa, wenn ein Unternehmen mit der Prüfstelle nicht kooperieren will, Zweifel an der Richtigkeit der Prüfungsergebnisse der OePR bestehen oder es das öffentliche Interesse verlangt.

Abgesehen davon könne die FMA der OePR allerdings keinerlei Weisungen erteilen. Auch habe das Gesetz keine Kompetenz der FMA normiert, der OePR Anweisungen in der Form eines Bescheides zu geben, halten die Anwälte fest.

Für Auftraggeber Alfred Heiter, Leiter des Bereiches Finanzpolitik und Recht in der IV, hat sich mit dem Gutachten die Rechtslage geklärt: „Prüfungen sind durch die Prüfstelle durchzuführen. Die FMA hat hingegen ihre Funktion als Kontrollbehörde wahrzunehmen. Alle an dem Enforcement-Verfahren Beteiligten sollten sich an die gesetzlichen Grundlagen halten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2014)

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