Hypo: Untreue auch mit Steuergeld möglich

APA/HELMUT FOHRINGER
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Strafrecht. Der Bericht der Hypo-Untersuchungskommission enthält Hinweise, die Staatsanwälte bei privaten Unternehmen sehr schnell zu Ermittlungen veranlassen würden: Neben Untreue stehen auch kridaträchtige Handlungen im Raum.

Wien. Der Bericht der Griss-Kommission bestätigt, was ohnedies jeder gewusst hat, nämlich dass der durch die Expansion der Hypo Alpe Adria Bank entstandene Schaden für die Allgemeinheit auf grob unvernünftiges und unverantwortliches Fehlverhalten von Entscheidungsträgern zurückzuführen ist. Das Gewicht seiner Verfasser hebt den Bericht immerhin auf eine Ebene, die nicht mehr leicht mit „Pech gehabt“ abgetan werden kann.

Für Juristen stellt sich erneut die Frage, ob das Fehlverhalten auch zu zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen für die – im Bericht leider nicht namentlich genannten – verantwortlichen Personen führen wird. Die bisherigen Reaktionen lassen befürchten, dass eher darauf hingearbeitet wird, solche zu vermeiden. Über die viel strapazierte „politische Verantwortung“, von der niemand sagen kann, was sie überhaupt bedeuten soll, kann ohnedies niemand mehr lachen. Die Erfahrungen mit U-Ausschüssen zeigen, dass sie nur als Wahlkampfthema taugen.

Der Griss-Bericht verwendet für das erkannte Fehlverhalten den – bei uns nicht allgemein gängigen – englischen Ausdruck „Moral hazard“, lässt das strafrechtliche Thema aber offen. Der Ausdruck steht für das Phänomen, dass die Gewissheit, für Schäden selbst nicht aufkommen zu müssen, die Bereitschaft fördert, ein Risiko einzugehen. Die Entscheidungsträger des Landes Kärnten, die für die expansionslustige Bank eine unbeschränkte finanzielle Haftung (natürlich keine eigene, sondern die des Landes) übernommen haben, gingen davon aus: Der Bund würde schon einspringen, sollte die Haftung schlagend werden, weil er eine Insolvenz eines Bundeslandes nicht zulassen werde.

Landeshaftung, Verstaatlichung

Man darf sich fragen, ob ein solches Kalkül nicht Strafbarkeit begründet. Der Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB (Strafdrohung bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) drängt sich auf, sowohl für die Verantwortlichen der abstrusen Landeshaftung, als auch für die der „Notverstaatlichung“.

Untreue verantwortet, wer als Entscheidungsträger wissentlich seine Befugnisse missbraucht, andere zu verpflichten, und zwar mit dem Vorsatz, diese zu schädigen. Dass die Notverstaatlichung diesen Schaden vom Land Kärnten letztlich abgewendet hat, ändert daran nichts, bliebe deswegen das genannte Verbrechen doch als versuchte Untreue strafbar.

Dass es für die Notverstaatlichung eine wirtschaftlich günstigere Alternative gab – der Bericht kommt ausdrücklich zu diesem Ergebnis –, zeigt, dass die Entscheidungsträger des Bundes nicht bestmöglich agiert haben. Dazu wären sie aber als Machthaber zum Schutz öffentlichen Vermögens verpflichtet gewesen. Wissentlicher Missbrauch dieser Entscheidungsmacht mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz wäre daher ebenfalls Untreue.

Der Tote allein ist schuld

Wen wundert es, dass bereits unmittelbar nach Veröffentlichung des Berichts ein fröhliches gegenseitiges Verantwortungszuschieben begonnen hat? Gottlob gibt es einen – natürlich allein verantwortlichen – Toten; Bankmanager sitzen ohnedies bereits hinter Gittern, zwar wegen ganz anderer Sachverhalte, aber immerhin. Und außerdem hat ja die Europäische Zentralbank in Gestalt ihres Präsidenten auf Österreich unwiderstehlichen Druck ausgeübt.

Den Noch- und Expolitikern sowie ihren Beratern kann einzig zugutekommen, dass der Tatbestand der Untreue stark vorsatzorientiert ausgestaltet ist. Wer intellektuell nicht in der Lage ist, die Tragweite seines Handelns zu erkennen, kann auch nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Ob sich Noch- und Expolitiker auf eine solche Unfähigkeit berufen können oder werden, darf gespannt verfolgt werden.

Für § 159 StGB (grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen) würde grobe Fahrlässigkeit ausreichen. Es wäre diesfalls nicht so einfach, sich auf die eigene Unkenntnis zu berufen. Auch ohne Insolvenz haften kridaträchtig Handelnde unter bestimmten Umständen, wenn eine Gebietskörperschaft ohne Verpflichtung dazu eine Pleite verhindert hat. Allerdings können Täter nur diejenigen sein, die eine Insolvenz herbeigeführt haben oder ohne Einspringen einer Gebietskörperschaft herbeigeführt hätten. Vorliegend wären zwei solche hypothetische Pleiten zu prüfen, nämlich a) die durch die Landeshaftung verhinderte der Bank und b) die durch die Notverstaatlichung verhinderte des Landes Kärnten. Das Eingehen der Landeshaftung stellt nämlich auch eine kridaträchtige Handlung dar, die das Land, wäre sie schlagend geworden, unweigerlich in den Konkurs getrieben hätte. Die Strafdrohung wäre nach § 159 StGB Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, die fünfjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen.

Man darf gespannt sein, ob sich ein Staatsanwalt findet, der das Fehlverhalten von für Kärnten und den Bund handelnden Entscheidungsträgern aufgreift. Er müsste aber besonders kompetent sein, soll es nicht ein weiteres Mal zu einer unendlichen Untersuchung mit exorbitant hohen Kosten kommen. Für externe Sachverständige könnte sich sonst – mit den Worten des Griss-Berichts – ein weiteres „lukratives Geschäftsfeld“ auftun. Wenn gutes Geld zum schlechten gelegt wird, nützt das auch niemandem.

Die Autorin des Artikels ist Rechtsanwältin in Wien.

Der Bericht

Aufklärung. Am 2. Dezember hat eine im März von der Regierung eingesetzte Expertenkommission unter der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss einen Bericht zur Aufklärung der Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Hypo Alpe Adria Bank International AG abgegeben: von der risikoreichen Expansion mit unbeschränkten Kärntner Landeshaftungen über die Notverstaatlichung 2009 bis zur schleppenden Gründung einer Bad Bank. (www.untersuchungskommission,at)

("Die Presse", Printausgabe vom 15.12. 2014)

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