Marionnaud: Freispruch ist fix

v. r. : Reichenspurner, Ainedter
v. r. : Reichenspurner, Ainedter(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Ex-Geschäftsführer der Parfümeriekette in Österreich wurde vom Betrugsverdacht freigesprochen. Der OGH bestätigte nun dieses Urteil.

Wien.Seit gut einer Woche hat Markus Reichenspurner, Ex-Geschäftsführer von Marionnaud Autriche, es schwarz auf weiß: Der Betrugs- und Bilanzfälschungsverdacht, unter dem er fünf Jahre lang stand, ist endgültig vom Tisch. Freigesprochen worden war er schon im Mai des Vorjahres, nun wies der OGH die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil zurück und setzte damit den Schlusspunkt unter das Verfahren.

Gegangen war es um falsche Zahlen, die in den Jahren 2006 bis 2009 von der Österreich-Tochter der Parfümeriekette an die Marionnaud-Konzernmutter Hutchison Whampoa in Hongkong gemeldet wurden. Und um Boni, die die Konzernmutter aufgrund dieser Zahlen für Reichenspurner und andere Mitarbeiter genehmigte. Waren die Zahlen geschönt – was ein von der Staatsanwaltschaft eingeholtes Gutachten belegt – dann waren die Boni zu hoch. Darauf stützte die Staatsanwaltschaft ihren Betrugsvorwurf. Nur ist bis heute nicht wirklich klar, wie es genau zu den Fehlbuchungen kam. Gegen einen weiteren Ex-Mitarbeiter von Marionnaud Autriche, der ursprünglich mit angeklagt war, läuft ein gesondertes Verfahren, das noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Diesen Mitarbeiter hatte Reichenspurner, noch als Geschäftsführer, gekündigt – in Absprache mit dem Konzern, wie er betont. Mit ihm selbst ging die Konzernführung dann weniger schonend um: Er bekam kurz darauf die „Fristlose“.

Verfahren beim Arbeitsgericht

Einen konkreten Vorwurf erhob man damals noch nicht, begründet wurde die Entlassung mit „Vertrauensverlust“. Zur Sachverhaltsdarstellung seines Ex-Arbeitgebers an die Staatsanwaltschaft kam es erst, nachdem Reichenspurner die Entlassung beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten hatte. Begründet wurde der Verdacht gegen ihn damit, dass er der Vorgesetzte des gekündigten Mitarbeiters war, der die Fehlbuchungen vorgenommen haben soll. Und dass er auch derjenige war, der die Zahlen bei der Konzernmutter zu präsentieren hatte. Also müsse er über die Manipulationen Bescheid gewusst haben, so die Argumentation.

Das Gericht sah das letztlich anders. Es gestand dem Geschäftsführer zu, nicht jedes Detail der Buchhaltung gekannt zu haben. Der OGH bestätigte nun diese Sichtweise: Das Erstgericht habe „logisch und empirisch einwandfrei dargelegt, dass im Beweisverfahren keine überzeugenden Umstände für die Annahme, der Angeklagte hätte die Unrichtigkeit der der Muttergesellschaft gemeldeten Zahlen auch nur geahnt, hervorgekommen sind“, heißt es in seinem Beschluss (11Os136/14f-4). Das Gericht habe „unmissverständlich ausgesprochen, dass Reichenspurner mangels Vorsatzes nicht als Täter zur Verantwortung zu ziehen ist“.

Inhaltlich ist das weit mehr als ein Freispruch bloß wegen zu dünner Beweislage. Reichenspurner quittiert es mit großer Erleichterung – allerdings ohne Euphorie. Seine Karriere in der Parfümeriebranche sei beendet, seine Reputation durch das jahrelange Verfahren ruiniert, sagt er. Der Markt in Österreich sei zu klein, um hier nochmals Fuß zu fassen. Er habe sich auch schon – „gezwungenermaßen“ – beruflich umorientiert. Sich selbstständig gemacht und begonnen, ein kleines Handelsunternehmen aufzubauen.

Der Arbeitsrechtsstreit mit Marionnaud ist indes noch nicht ausgestanden. Er wurde für die Dauer des Strafverfahrens unterbrochen und wird nun weitergehen. Neben dem Streit um die Kündigungsentschädigung stehen auch neue Forderungen im Raum: auf eine Art Schadensabgeltung für die Jahre der Prozessführung. Insgesamt gehe es jetzt wohl um 200.000 bis 300.000 Euro, sagt Rechtsanwalt Klaus Ainedter, der Reichenspurner im Strafverfahren verteidigt hat.

Neue Rolle von Gutachtern

Ainedter wirft noch eine andere, hypothetische Frage auf: Würde es in einem gleich gelagerten Fall auch heute fünf Jahre bis zum Freispruch dauern? Mit Jahresbeginn änderte sich nämlich die Rechtslage hinsichtlich der Rolle von Sachverständigen in Strafverfahren. Bisher seien Sachverständige bloß als „Hilfsorgane des Staatsanwalts“ zum Einsatz gekommen, das gelte jetzt nicht mehr, sagt Ainedter. „Heute könnten wir einen Privatgutachter beiziehen, dessen Gutachten in den Akteninhalt aufgenommen werden müsste. Dieser könnte den vom Staatsanwalt beauftragten Sachverständigen auch direkt befragen.“ Bisher war das nicht möglich. Das vom Staatsanwalt vorgelegte Gutachten zu entkräften, sei denn auch „der Knackpunkt“ im Prozess gegen Reichenspurner gewesen. Faktisch habe man sich gezwungen gesehen, dessen Unschuld zu beweisen – auch wenn das nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht so sein sollte. Geschafft habe man es nicht zuletzt deshalb, weil das Gericht trotz des belastenden Gutachtens „selbst ein kritisches und objektives Beweisverfahren durchgeführt hat“.

Welche praktische Bedeutung Privatgutachten künftig in Strafprozessen haben werden, ist indes noch nicht absehbar. Denn dafür zahlen muss der Auftraggeber – er muss es sich also leisten können. Ebenfalls völlig offen ist, ob und gegen wen Ersatzansprüche für solche Kosten denkbar wären, wenn der Beschuldigte freigesprochen wird.

Im „Fall Marionnaud“ gibt es ebenfalls noch die eine oder andere offene Frage. So ist immer noch nicht klar, von wem denn nun wirklich die Initiative für die Fehlbuchungen ausging. Im Prozess gegen Reichenspurner war von einer „bislang nicht feststellbaren Person“ die Rede – von dieser könnte der Mitarbeiter, der die Buchungen vornahm, Weisungen bekommen haben. Ainedter dazu: „Wenn es so war – und wenn die Buchungen rechtswidrig sind – dann müsste diese Person mit auf der Anklagebank sitzen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

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