Wenn Bescheide das Papier nicht wert sind

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Themenbild(c) Clemens Fabry - Die Presse
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Kurioser Rechtsstreit um einen Lieferauftrag für Hygienepapier: Die Auftraggeber hielten sich an einen Bescheid des Bundesvergabeamtes – und mussten dafür Bußgeld zahlen.

Wien. 367.000 Euro Geldbuße, zu bezahlen an den Forschungsförderungsfonds. Diese Sanktion verhängte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Ende des Vorjahres über die Republik Österreich (Bund) und die Bundesbeschaffung GmbH (BBG).

Der Anlass: Ein Lieferauftrag für Hygienepapier – WC-Papier, Handtücher, Küchenrollen. Laut Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde das Vergabeverfahren für diesen Auftrag „in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung“ durchgeführt. Das Gericht stützte sich dabei auf eine zuvor ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH, 2013/04/0104).

Für die BBG kam das überraschend: Denn sie hatte den Auftrag im Juli 2010 in einem offenen Verfahren ausgeschrieben. Und war bis zuletzt der Ansicht, alles sei rechtens. Behördliche und sogar höchstgerichtliche Entscheidungen, die in der Sache bereits ergangen waren, hatten ihr keinen Grund gegeben, daran zu zweifeln. Bis der Verwaltungsgerichtshof letztlich feststellte, der Lieferauftrag, der damals vergeben wurde, habe nach behördlicher Streichung einzelner Spezifikationen nicht mehr der Ausschreibung entsprochen. Und das BVwG daraufhin ein Bußgeld verhängte – quasi als einzig mögliche Sanktion, weil sich die Auftragsvergabe nicht mehr rückabwickeln ließ. Das Papier war längst geliefert, bezahlt und verbraucht.

Jahrelanger Rechtsstreit

Die BBG bringt die Sache nun vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Denn, so BBG-Chefjurist Wolfgang Pointner: „Uns als Auftraggebern wird eine wissentlich rechtswidrige Haltung unterstellt, obwohl sogar für das Bundesvergabeamt, das die Auftragsvergabe ja mehrfach geprüft hat, ein Vergaberechtsverstoß nicht ersichtlich war.“ Man büße hier für etwas, was man nicht verschuldet habe.

Aber wie kam es überhaupt zu dem jahrelangen Rechtsstreit? Alles begann damit, dass ein Unternehmen, das selbst kein Angebot gelegt hatte, im Sommer 2010 die damalige Ausschreibung bekämpfte. Bei solchen „Nachprüfungsanträgen“ geht es im Wesentlichen um die Behauptung, die Ausschreibungsbedingungen würden die Chancengleichheit der Bieter verletzen. Bekommt der Antragsteller recht, kann er im für ihn besten Fall erreichen, dass die Ausschreibung für nichtig erklärt wird. So weit ging das Bundesvergabeamt (BVA) – das damals noch für solche Verfahren zuständig war – in diesem Fall nicht. Wohl aber hob es einige der technischen Spezifikationen in der Ausschreibung auf, etwa die Qualitätsangabe „extra weich“, eine Mindestbreite für Küchenrollen oder die Vorgabe, dass die neuen Papierhandtücher in die bereits vorhandenen Handtuchspender passen sollen.

Das Unternehmen erhielt also teilweise recht – nur hatte es nicht viel davon: Das BVA verlangte in seinem Bescheid nämlich keine Neuausschreibung, sondern sah ausdrücklich vor, dass die Auftraggeber das laufende Verfahren unter den geänderten Bedingungen fortsetzen konnten. Für den Antragsteller hieß das jedoch: Er blieb weiterhin außer Konkurrenz. Denn das Nachprüfungsverfahren hatte viel länger gedauert, als es sollte – und die Ausschreibungsfrist war inzwischen vorbei. Er konnte also kein Angebot mehr legen. Zwar hätte er eine einstweilige Verfügung gegen den Fristablauf beantragen können. Das hatte er aber nicht getan – sondern andere Anträge formuliert, die ihm im Endeffekt nichts nützten.

„Anderer Bieterkreis“

Auch diese Sache kam schon vor die Höchstgerichte. Inzwischen nahmen aber die Dinge ihren Lauf: Anfang Februar 2011 erhielt ein Unternehmen den Zuschlag und einen Liefervertrag bis Ende 2013. Der Unternehmer, der nie ein Angebot abgegeben hatte, bekämpfte nun auch die Zuschlagserteilung – und erreichte schließlich die eingangs erwähnte VwGH-Entscheidung, in der es hieß, man hätte nach Änderung der Spezifikationen neu ausschreiben müssen. Denn, so der VwGH: Der Behörde hätte klar sein müssen, dass sich dadurch der Bieterkreis ändert.

Der Behörde, wohlgemerkt. Nicht den Bescheidadressaten. Das Bußgeld zahlen mussten dennoch diese. Die Auftraggeber seien faktisch dafür bestraft worden, dass sie sich damals an den Bescheid gehalten haben, sagt Pointner. Konsequent weitergedacht bedeute das, „dass jeder, der einen Bescheid bekommt, überprüfen müsste, ob dieser inhaltlich richtig ist“. Wäre das so, könnte sich niemand mehr – in keinem Rechtsbereich – auf behördliche Entscheidungen verlassen. Ob das wirklich so sein kann, wird nun den VfGH beschäftigen.

AUF EINEN BLICK

Bundesbeschaffung. Die Bundesbeschaffung GmbH ist die zentrale Beschaffungsstelle für die öffentliche Hand. Sie führt für alle Ministerien deren Vergabeverfahren durch, hat aber auch andere öffentliche Stellen als Kunden – laut eigenen Angaben alle Bundesländer, jede dritte österreichische Gemeinde und einen Großteil der ausgegliederten Unternehmen, Universitäten und Gesundheitseinrichtungen. Im konkreten Fall ging es um ein Vergabeverfahren, das laut VwGH ohne Bekanntmachung abgelaufen sei. Die BBG hatte sich bei dieser Vergabe jedoch an einen Bescheid des Bundesvergabeamtes gehalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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