Aufsichtsräte müssen intelligenter sein

Aslan Milla
Aslan Milla(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Welche Erwartungen hat der OGH an Aufsichtsräte? Und welche Fragen sollten sie sich besser selbst stellen? Ein Vortrag des Wirtschaftsprüfers Aslan Milla an der Wiener Wirtschaftsuniversität gab darüber Aufschluss.

Wien. „Der Aufsichtsrat ist in guten Zeiten nutzlos, in schlechten hilflos.“ Diese Worte werden dem SPÖ-Politiker Rudolf Streicher zugeschrieben. Ob er diese Einsicht schon als Wirtschafts- und Verkehrsminister im Kabinett von Bundeskanzler Franz Vranitzky oder erst als Generaldirektor der ÖIAG Jahre später gewonnen hat, ist ungeklärt – und auch gar nicht so wichtig.

Der Wirtschaftsprüfer Aslan Milla stellte Streichers Aussage jedenfalls bewusst an den Anfang seiner Keynote, die er vor einigen Tagen bei der Veranstaltung „Brennpunkt Aufsichtsrat“ an der Wiener Wirtschaftsuniversität hielt. Und zwar aus einem Grund: Für heute hätte die Erkenntnis des ehemaligen SPÖ-Ministers keine Gültigkeit mehr, ist er überzeugt: „Es ist viel passiert, es hat vor allem rechtliche Entwicklungen gegeben, welche die Rolle des Aufsichtsrats erheblich nachgeschärft haben.“

Wie steht es mit der Intelligenz?

Für dieses „Nachschärfen“ spielte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) 1Ob 144/01k aus dem Jahr 2002 eine wichtige Rolle. Mit diesem Judikat ließ der OGH nämlich alle Aufsichtsräte wissen, was er von ihnen erwartet. Die Hauptaufgabe der Aufsichtsratsmitglieder ist demnach, die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes bezüglich Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit wahrzunehmen. So weit, so gut.

Nur einige Seiten weiter kann man lesen, dass dem OGH eines schlicht zu wenig ist: Mittelmäßigkeit. Bei jedem Aufsichtsrat müsse eine das Durchschnittsniveau übersteigende, besonders „intelligenzmäßige Kapazität“ vorausgesetzt werden, wenn das gesetzliche Ziel einer effektiven Kontrolle nicht völlig verfehlt werden soll. Somit müssen alle Mitglieder des Aufsichtsrats, so das Fazit des OGH, zumindest über die Fähigkeit, die Vorgänge in ebendiesem Unternehmen sachgerecht zu beurteilen, verfügen.

All diese Feststellungen, die der OGH vor mittlerweile 15 Jahren traf, geben für Milla auch heute noch deutlich wieder, worum es bei guter Unternehmungsführung geht. Wenngleich eines immer zu bedenken sei, sagt er: „Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in Österreich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ein ,two-tier system‘ haben.“ Es gibt also einerseits den Aufsichtsrat, der den Vorstand zu überwachen, und andererseits den Vorstand, der das Unternehmen zu führen hat. Welche Ansprüche man an den Aufsichtsrat stellen könne – und welche nicht, bringt er mit einer englischen Weisheit auf den Punkt: „Noses in, fingers out!“

Der Aufsichtsrat ist ein Kollegialorgan, es geht also nicht um den Einzelnen, auch das sollte man nicht vergessen: „Damit es in seiner Gesamtheit gut ist, muss den Aspekten der Diversität ausreichend Rechnung getragen werden und zwar in Hinblick auf Erfahrung der Mitglieder, ihre Persönlichkeiten, das Alter, die Internationalität und – last, but not least – das Geschlecht“, sagt Milla.

Kritisch sieht er den Übereifer des Gesetzgebers in den letzten Jahren: „Was gute Governance ist, hat er in die Gesetze geschrieben. Nur in den wenigsten Fällen ist das hilfreich. Denn es besteht die Gefahr, dass alle Anforderungen für alle Aufsichtsräte gelten sollen.“ Genau das sei aber nicht sinnvoll. Denn es sei nun einmal etwas ganz anderes, ob man Aufsichtsrat in einem börsenotierten, in einem öffentlichen oder einem Familienunternehmen ist.

Kann ich das überhaupt?

Doch nicht nur der Gesetzgeber und der Oberste Gerichtshof sollten anspruchsvoll sein, sondern auch jener, der dazu eingeladen wird, ein Aufsichtsratsmandat zu übernehmen. Das übersieht so mancher potenzielle Aufsichtsrat gern. Jede einzelne der folgenden Fragen sollte aber ganz ehrlich mit Ja beantwortet werden können: „Habe ich das notwendige Know-how? Verstehe ich die regulatorischen Anforderungen an die Branche, kenne ich die Geschäftsprozesse?“ Nicht zu vergessen sei, wie wichtig soziale Kompetenzen für das Funktionieren eines Kollegialorgans sind. Auch ob die Rahmenbedingungen für einen selbst passen und ob man überhaupt genug Zeit für die Aufgabe hat, sollte wohlüberlegt sein. Milla: „In der Regel bleibt es nicht bei den vier Sitzungen im Jahr, die das Gesetz vorschreibt.“ Man müsse bereit sein, weit darüber hinaus mitzuwirken, sonst sei man in dem Gremium fehl am Platz. Und noch etwas ist wichtig herauszufinden, bevor man in den Aufsichtsrat einzieht: „Kann ich mit den Leuten überhaupt, die für das Unternehmen tätig sind? Diese Frage sollten Sie am besten mit dem Bauch beantworten“, sagt Milla.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)

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