Das Treuhandbuch – ein Sorgenkind

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Anwälte müssen anvertrautes Geld über das elektronische Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer abwickeln. Doch in der Praxis gibt es viel Kritik am Handling.

Wien. Gleich neun Personen sind in der Wiener Rechtsanwaltskammer (RAK Wien) mit dem sogenannten Treuhandbuch befasst. Ihnen werden von Anwälten nicht nur Rosen gestreut. Die Abwicklung dauere oft lange, lautet eine häufig geäußerte Kritik. Auch, dass man mitunter als Bittsteller und unhöflich behandelt werde. Selbst zu Schreiduellen komme es ab und zu.

Doch der Reihe nach: Seit Juli 2000 sind die Wiener Rechtsanwälte grundsätzlich dazu verpflichtet, ihnen anvertraute Treuhandgelder ausschließlich über elektronisch und besonders gesicherte Anderkonten abzuwickeln. Über diese Konten kann nur disponiert werden, wenn die RAK Wien ihr Freigabesiegel erteilt hat. Andere Dispositionen, wie etwa Barbehebungen, sind ausgeschlossen.

Keine Frage, diese Institution ist wertvoll, stärkt sie doch das Vertrauen der Klienten in ihre Anwälte. „Die Mandanten haben die Sicherheit, dass ich nicht mit ihrem Geld auf eine Südseeinsel verschwinden kann“, sagt der Rechtsanwalt Herbert Gartner, der ständig mit Treuhandabwicklungen zu tun hat. Daher sei das Treuhandbuch auch heute noch ein „Marketinginstrument“ des Anwaltsstands.

Doch bei vielen hält sich die Begeisterung für das Treuhandbuch in Grenzen. Vor allem kritisieren sie die veraltete und benutzerfeindliche Technologie des Moduls, die der Kammer und ihren Mitgliedern zu allem Überdruss auch noch hohe Kosten verursacht. Und wenn dann auch noch – wie kürzlich – Fälle bekannt werden, bei denen die Kontrolle sichtlich versagt hat, wird die Sinnhaftigkeit umso mehr hinterfragt. An solchen Fällen sei aber nicht das System schuld, meint Gartner. Sondern die Tatsache, dass es nicht immer angewandt wird.

10.000 Fälle pro Jahr

Laut RAK Wien werden über deren elektronisches Treuhandbuch durchschnittlich 10.000 Treuhandschaften pro Jahr abgewickelt, 2014 seien es exakt 10.438 gewesen, mit einer Summe von 4,72 Milliarden Euro. Seit seiner Inbetriebnahme habe man 110.407 Treuhandschaften mit einem Volumen von 38,2 Milliarden Euro gezählt. Jeder einzelne Fall werde begleitend kontrolliert – und es sei auch technisch ausgeschlossen, dass bei einer im Treuhandbuch erfassten Transaktion Geld in dunkle Kanäle verschwindet.

Gartner erklärt das System so: Wenn Fremdgeld treuhändig zum Anwalt kommt, wird in einem elektronischen Formular das erfasst, was auch im Treuhandvertrag stehen sollte: Wer der Erleger ist und wer die begünstigten Parteien, deren Kontonummern und die Beträge, um die es geht. Die am Geschäft Beteiligten müssen die Treuhandmeldung unterschreiben und bekommen dann auch eine Bestätigung von der Kammer, dass ihr Geschäftsfall erfasst ist. „Wenn diese Bestätigung innerhalb einer Woche oder von zehn Tagen nicht kommt, dann bedeutet das, dass etwas nicht stimmt.“ Gartner meint, das größte Manko sei, dass Klienten oft nicht auf die Abwicklung über das Treuhandbuch bestehen.

Tatsächlich laufen viele derartige Transaktionen außerhalb des Systems ab. Etwa als anonyme Treuhandschaften. „Es gibt Kollegen, die das ständig machen“, sagt der Anwalt. Oder es wird mit sogenannten Untersagungserklärungen gearbeitet, bei denen der Klient dem Anwalt schriftlich „verbietet“, das Geschäft der Kammer zu melden. Leider gibt es auch Anwälte, die ihre Klienten gleich gar nicht auf das elektronische Treuhandbuch hinweisen. Sie wickeln solche Geschäfte völlig formlos ab, auch wenn das nicht legal ist.

Bürokratischer Aufwand

Gibt es bei der Kammer Kontrollen, die solche Fälle ans Licht bringen, fragte „Die Presse“. Wird es etwa registriert und hinterfragt, wenn Kanzleien nie Treuhandschaften melden? Das verneint die RAK Wien: Eine solche Nachfrage finde nicht statt, „da nicht jede Kanzlei mit Treuhandschaften arbeitet“. Die Kontrolle greift also nur bedingt.

Viele Nutzer beklagen darüber hinaus den hohen bürokratischen Aufwand. Ein Blick ins Benutzerhandbuch für das elektronische Modul bestätigt das: Es hat 361 Seiten. „Wer nur selten damit arbeitet, ist überfordert“, räumt auch Fachmann Gartner ein. Wer ständig damit umgehe, komme aber gut damit zurecht.

Manches sei jedoch tatsächlich reformbedürftig, gesteht er dennoch zu. So sei es fraglich, ob die aufwendige Prüfung des Treuhandvertrages durch die Wiener Kammer wirklich sein müsse. Andere Bundesländer kennen sie nicht.

Auch nachträgliche Änderungen einmal gemeldeter Daten sind eine nervenaufreibende Sache. Zum Beispiel, wenn bei einem Hausbau der Treuhandbetrag auf Professionisten zu verteilen ist, die zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht alle bekannt sind. Oder wenn bei einem Kaufvertrag der Verkäufer anders über den erlegten Kaufpreis disponieren möchte als ursprünglich vorgesehen: „Dann braucht man für die Änderung wieder alle Unterschriften, auch die des Käufers.“ Und die sind oft schwierig zu bekommen.

Über eines herrscht Einigkeit – bei Befürwortern wie bei Kritikern: Bei echten Betrugsfällen ist das Treuhandbuch machtlos. Etwa, wenn ein Anwalt vortäuscht, dass er es verwendet. „Ich rate Klienten deshalb immer, darauf zu achten, dass die Kontonummer mit der Kammermeldung übereinstimmt“, sagt Rechtsanwalt Benedikt Wallner. Darauf müsse auch die überweisende Bank achten: „Lässt sie sich von einem Kriminellen übertölpeln, wird sie haftbar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)

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