Zwischen zwei Stühlen

Worüber muss ein Anwalt schweigen, und was hat er der Kammer zu melden?

Was hält einen Anwalt davon ab, die Kammer zu verständigen, wenn er ein Mandat gegen einen anderen Anwalt übernimmt? Das hat er nämlich nach §22 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes zu tun. Die Antwort: Es ist vielleicht der eigene Klient.

In der Causa Mathes (siehe Artikel oben) könnte das schon so gewesen sein. Wie die Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien, Elisabeth Rech, vorwurfsvoll sagt, hätte nämlich niemand, auch einige Kollegen nicht, bei der Kammer eine §-22-Meldung gemacht. Das trifft den Infos der Kammer zufolge auch auf den Anwalt der Allianz Versicherung zu. Er selbst gibt dazu keine Auskunft und beruft sich auf seine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht. Wie es war, wissen wir also nicht. Aber – ganz unabhängig von dem konkreten Fall – drängt sich die rechtliche Frage auf, die sich wohl jeder Anwalt stellen muss: Was tun, wenn der eigene Mandant einem untersagt, Meldung bei der Kammer zu machen? Etwa, weil das nicht in seinem Interesse ist? Eine Anzeige kann im schlimmsten Fall zum Entzug der Berufsberechtigung führen. Die Chancen des Mandanten, der Exanwalt könnte seine Schulden dann noch begleichen, schwinden damit wohl deutlich. Was geht also vor, die Treue gegenüber dem Klienten oder jene gegenüber der Kammer? Auskunft ist herzlich willkommen.

E-Mails an: judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2015)

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