„Ungarn tut alles, um ausländischen Investoren zu schaden“

Erik Steger
Erik Steger(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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„Ungarn ist ein schwieriges Land“, sagt Erik Steger, Partner der Wirtschaftskanzlei Wolf Theiss. Dennoch will er dem Land nicht den Rücken kehren.

Die Presse: Wolf Theiss war eine der ersten Kanzleien, die sich Ende der 1990er-Jahre entschlossen, mit ihren Klienten nach Osteuropa zu gehen.

Erik Steger: Ja, die Entscheidung, Standorte in Tschechien, der Slowakei und anderen Ländern in Zentral- und Osteuropa zu eröffnen, war anfänglich ausschließlich klientengetrieben. Erst danach haben wir Opportunitäten gesehen, wie in Albanien, als wir die Möglichkeit hatten, das Büro der angloamerikanischen Kanzlei Allen & Overy zu übernehmen. Denn dieses Land wäre damals wohl nicht ganz oben auf unserer Prioritätenliste gestanden. Anders war das bei unserer letzten Erweiterung nach Polen, wo aus dem Markt klar das Begehren spürbar war, dass wir auch dort hingehen sollten.

Mittlerweile haben sich viele internationale Unternehmen schon wieder zurückgezogen. Wie sehr hat sich das auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Wir haben das stark gespürt. Unsere Kanzlei ist angetreten, ausländischen Investoren in einer Region, in der sie sich noch nicht zurechtfinden, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Nun brauchen manche rechtliche Hilfe beim Rückzug. Gleichzeitig ist es unsere Strategie, uns ausreichend lokal zu vernetzen und zu verankern, um ein neues Segment von Klienten anzusprechen. Das ist zwar anstrengend, aber es gelingt – in dem einen Land leichter und dem anderen schwerer.

Eine Vielzahl Ihrer Mitbewerber hat sich dazu entschlossen, ihre Zelte wieder abzubrechen.

Auch das ist eine Option. Viele angloamerikanische Kanzleien kamen während des Privatisierungsbooms und sind nach zehn Jahren, als die Privatisierungswelle vorbei war, etwa nach Dubai weitergezogen. Das ist eine durchaus erfolgreiche Strategie für eine global agierende Kanzlei.

Hat Wolf Theiss nie mit dem Gedanken gespielt, wieder zu gehen?

Die Überlegung, war die Entscheidung nach Ost- und Zentraleuropa zu gehen richtig oder macht sie keinen Sinn mehr, wird jeder vernünftige Geschäftsmann hin und wieder anstellen. Denn wie sich die gesamtwirtschaftliche Situation eines Landes entwickelt, ist für uns nicht planbar. Wir können darauf nur reagieren, soweit dazu die Notwendigkeit besteht. Die krasse Situation, dass man sich aus einem Markt zurückzieht, tritt nur dann ein, wenn man auf keine ausreichende Nachfrage stößt oder es politische Krisen gibt, die Risken bringen.

Wie in Ungarn?

In Ungarn könnte man sich durchaus vorstellen, dass es zu Maßnahmen kommt, die gezielt gegen ausländische Kanzleien gerichtet sind. Dann müsste man Leine ziehen.

Leine gezogen haben Sie nicht, aber Ihr Team deutlich verkleinert.

Ungarn ist in der Tat derzeit ein sehr schwieriges Land. Für ausländische Investoren ist es nicht attraktiv, weil die ungarische Regierung alles tut, um sie zu stören oder ihnen zu schaden. Der Staat will sich viel mehr ins Wirtschaftssystem involvieren. Man will also tendenziell verstaatlichen. Gerade hat sich ja die Erste Bank als strategische Reaktion darauf dazu entschieden, den Staat als weiteren Aktionär hineinzunehmen. Ein weiterer Bereich, in dem viele unserer Experten beraten, ist der Energiesektor. Unter Regierungschef Viktor Orbán ist dieser Bereich so stark in staatliche Hände geraten, dass Zulieferer für diese Bereiche wesentlich regierungsnäher sind. Die Aufträge landen also eher bei Friends and Family und nicht bei internationalen Kanzleien.

Wenn wir gerade von den Sorgenkindern sprechen: Wie erleben Sie die Ukraine?

Das Land befindet sich in einer tiefen Krise. Sie betrifft jene Region, die tendenziell stärker war, weil dort die ganze – wenn auch nach unseren Maßstäben veraltete – Industrie angesiedelt war. Dort ist nun sehr viel kaputt – denken Sie an den Flughafen in Donezk. Um diese Infrastruktur wieder aufzubauen, bedarf es umfassender Investments und viel Zeit.

Und was bedeutet die Entwicklung des letzten Jahres für Ihren Standort in der Ukraine?

Interessanterweise haben wir in der Ukraine nur zehn Prozent an Umsatz verloren.

Wie das?

Wir haben dort gute lokale Gesellschaften als Kunden. Aber es gibt auch Auslandsinvestoren, die – trotz alledem – in dem Land bleiben und die Krise durchhalten wollen. Zwar gibt es Banken, die ihre Töchter abstoßen wollen, andererseits Versicherungen wie die Vienna Insurance Group, die in der Ukraine vor relativ kurzer Zeit zugekauft hat. Unseren Mitarbeitern ist auch durchaus bewusst, dass sie hohe Verantwortung für sich selbst tragen. Sie warten nicht darauf, dass der große Bruder aus dem Ausland kommt und jede Menge Arbeit hinterlässt.

Den gibt es in Albanien wahrscheinlich auch nicht, oder?

Das ist ein Land, das aus seiner politischen Lethargie nicht erwacht. Seit den Wahlen 2013 ist die Koalition sozialistisch geführt und Privatisierungen damit gestoppt. Infrastrukturprojekte stecken fest, obwohl es in Albanien so viel gäbe, was man tun müsste. Unser Vorteil in diesem Markt ist, dass wir bis vor Kurzem die einzige internationale Kanzlei waren, und wir sind, nachdem wir schon lange dort sind, gut verankert.

Ein Blick nach vorne: Welchen Aufgaben muss sich Ihre Kanzlei in nächster Zeit stellen?

Wir müssen effizienter werden und noch besser darin, die an uns herangetragenen Aufgaben schnell und mit einem vernünftigen Aufwand zu bearbeiten. Das ist leichter gesagt als getan, insbesondere in Jurisdiktionen, in denen sich das Recht sehr rasch entwickelt. Dennoch muss es uns gelingen, denn unsere Kunden kaufen Beratungsleistungen budgetorientiert. Wir müssen dem Kunden einen Mehrwert bringen, wenn der nicht da ist, brauchen wir unsere Leistungen gar nicht anbieten.

IN KÜRZE

Erik Steger ist Managing-Partner der Wirtschaftssozietät Wolf Theiss. 1998 begann die Kanzlei ihre Expansion nach Zentral- und Osteuropa. Heute ist sie in zwölf Ländern vertreten. 2013 machte die Kanzlei nach eigenen Angaben 74Mio. Euro Umsatz, davon erwirtschafteten die Niederlassungen in CEE etwa 40 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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