Strategie, nicht Kleintaktik ist gefragt

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OGH-Präsident Eckart Ratz hielt bei der Richterwoche in Ottenstein ein Plädoyer für die Wahrungsbeschwerde. Auf den strategisch richtigen Einsatz komme es dabei an.

Wien.Mit kleintaktischem anstatt strategischem Einsatz werde die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes eingesetzt, kritisierte Eckart Ratz, Präsident des Obersten Gerichtshofes (OGH), in einer Brandrede anlässlich der Eröffnung der Richterwoche in Ottenstein am Mittwoch. „Dabei ist es im Justizsystem – will man nicht jahrelang auf einen geeigneten Fall warten – allein die Wahrungsbeschwerde, die rasch Klarheit bringen kann“, betonte er. Zur Erklärung: Nach § 23 der Strafprozessordnung kann die Generalprokuratur von Amts wegen oder im Auftrag des Justizministers gegen Urteile der Strafgerichte sowie gegen jeden Beschluss oder Vorgang, der auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruht, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben. Über diese Beschwerde hat sodann, und das macht das Instrument so gewichtig, der OGH zu entscheiden.

Von den 669 Nichtigkeitsbeschwerden im Jahr 2013 waren 140 Wahrungsbeschwerden. Mit 90 Prozent davon hatte die Generalprokuratur Erfolg. Kein Ergebnis, das Ratz positiv stimmt. Denn wer fragt, ob es stimmt, dass die Sonne im Osten aufgeht, wird mit größter Wahrscheinlichkeit die Antwort „ja“ erhalten. Doch was hilft es, wenn der OGH allgemein Bekanntes zum wiederholtem Male klarstellt? Würde die Generalprokuratur das Instrument jedoch dazu nutzen, noch ungeklärte Strukturfragen an ihn heranzutragen, könnte sie wohl nicht mit einer derart hohen Erfolgsquote auftrumpfen. Doch kann es auf solche statistischen Werte überhaupt ankommen?

Rasche Rechtsklarheit

Die Wahrungsbeschwerde sei gerade nicht zur Sicherstellung der Einzelfallgerechtigkeit da, sondern diene der Optimierung des Gesamtsystems, sagt Ratz. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der OGH könnte bei sachgerecht erhobenen Wahrungsbeschwerden rasch Rechtsklarheit schaffen, etwa in den Bereichen der Untreue oder Korruption. Doch der Fachsenat für Korruption und Amtsmissbrauch, der bereits 2012 eingerichtet wurde, war bis dato noch mit keiner einzigen Wahrungsbeschwerde konfrontiert. Wer weiß, vielleicht ändert sich das schon in naher Zukunft. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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