Dem Staat vertrauen? Besser nicht

ARCHIVBILD/THEMENBILD: TARIFERH�HUNG BEI PARKSCHEINGEB�HREN IN WIEN
ARCHIVBILD/THEMENBILD: TARIFERH�HUNG BEI PARKSCHEINGEB�HREN IN WIEN(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Von Parkscheinumtausch bis Hypo-Sondergesetz: Das Prinzip, dass Verpflichtungen einzuhalten sind, gilt für staatliches Handeln nur sehr bedingt.

Wien. „Mir reicht's, jetzt schmeiß ich die Dinger weg“, titelte „Die Presse“ vor rund drei Jahren. Das Zitat stammte von einem entnervten Wiener Autofahrer, der beim Versuch gescheitert war, ungültig gewordene Parkscheine umzutauschen. Trafiken, in denen er abgewimmelt wurde, und eine endlose Warteschlange vor der Umtauschstelle am Westbahnhof ließen ihn kapitulieren.

Bei der damaligen Erhöhung der Parkgebühren – per März 2012 – hatten auch jene Pech, die sich mit dem Umtausch alter Scheine zu lang Zeit ließen: Die Parkometerabgabeverordnung des Wiener Gemeinderats setzte dafür eine Sechsmonatsfrist, danach waren alle Scheine mit falschem Gebührenaufdruck nur noch Altpapier. Und das dafür ausgegebene Geld eine unfreiwillige Spende an die Stadt. Bei der Parkgebührenerhöhung 2007 war das noch anders gewesen: Da hatte man einen unbefristeten Umtausch alter Parkscheine in Aussicht gestellt – der jedoch mit der neuen Regelung ebenfalls endete.

Warum gerade jetzt Erinnerungen daran wach werden? Weil das, was damals im Kleinen geschehen ist, sich kürzlich im Großen wiederholt hat: Die öffentliche Hand hat versucht, sich quasi mit einem Federstrich von eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien – Stichwort: Hypo-Sondergesetz. Zwar freut das diesmal den Steuerzahler, an der generellen Problematik ändert es jedoch nichts: Der Grundsatz „pacta sunt servanda“ – also die Bindung an übernommene Verpflichtungen – lässt sich auf Gebietskörperschaften sichtlich nur sehr bedingt übertragen.

Unternehmen oder Behörde?

Aber zurück zum Beispiel Wien: Später änderten sich dort auch die Öffi-Tarife, damit wurden Vorverkaufsfahrscheine ebenfalls ungültig. Für deren Umtausch gab es jedoch keine Frist. Der wesentliche Unterschied: Die Wiener Linien sind zwar ebenfalls „öffentlich“, aber formal eine GmbH & Co KG. Also ein Unternehmen. Wer Fahrscheine kauft, geht ein privatrechtliches Vertragsverhältnis ein, und für ein solches gelten klare Regeln. Keiner der Vertragspartner kann da einfach nachträglich eine bereits geleistete Zahlung für verfallen erklären und sich seine Gegenleistung ersparen. Judikatur gibt es dazu vor allem im Zusammenhang mit Gutscheinen, die Unternehmen ausstellen: Auch da wurde schon versucht, deren Gültigkeit nachträglich zu kappen. Vergeblich, wie die Gerichte klarstellten: Gutscheine, auf denen keine Befristung vermerkt ist, gelten 30 Jahre lang.

Warum trifft das dann nicht genauso auf die Parkscheine zu? Hat man die denn nicht ebenfalls gekauft? Dem Anschein nach schon, formalrechtlich gesehen jedoch nicht: Wer Parkscheine kauft, schließt keinen Vertrag, sondern zahlt (im Voraus) eine Abgabe. Mit rechtsgeschäftlichen Grundsätzen kommt man da nicht weiter – sie gelten hier schlichtweg nicht.

Zwar gibt es auch einen Vertrauensschutz in vom Gesetzgeber (oder Verordnungsgeber) geschaffene Sachverhalte, der ist aber einigermaßen vage. Damit er greift, müsse es sich schon um einen schwerwiegenden Eingriff handeln, der so nicht voraussehbar war, sagt Bernhard Müller, Rechtsanwalt und Privatdozent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Wien. Eingriffe in sogenannte „wohlerworbene Rechte“ dürfen außerdem nicht zu hart sein, und es muss Übergangsbestimmungen geben. Ein Thema ist das immer wieder bei steuerrechtlichen Änderungen (über die sich die Öffentlichkeit meist aufregt) und Eingriffen in Pensionsanwartschaften (die als Privilegienabbau meist öffentlich bejubelt werden). Beides landet oft beim Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dort läuft es dann auf eine Interessenabwägung hinaus: Das öffentliche Interesse an der Änderung auf der einen Seite, der Vertrauensschutz auf der anderen.

Um wieder auf das Beispiel der Wiener Parkscheine zurückzukommen: Einen Eingriff wie diesen, der die Betroffenen kaum mehr als einen zweistelligen Eurobetrag kostet, bringt erstens kaum jemand vor den VfGH. Und zweitens hätte die Regelung, wie Müller meint, einer Prüfung wahrscheinlich standgehalten. Denn der Eingriff war eben nicht gar so gewichtig. Und die halbjährige Umtauschfrist sei wohl lang genug gewesen.

Garantie kappen geht zu weit

Das Kappen der Ansprüche von Anleihegläubigern per Hypo-Sondergesetz wiege da ungleich schwerer: „Forderungen so zu beschneiden, halte auch ich für verfassungswidrig“, sagt Müller. Nachsatz: „Die Anleihen galten wegen der Landesgarantie als mündelsicher.“ Da ziehe auch das Argument nicht, die Gläubiger hätten wissen müssen, dass Kärnten nie in der Lage war, im Ernstfall Haftungen in diesem Ausmaß zu stemmen.

Genauso gut könnte man auch dem Land vorhalten, dass es Garantien, die es überfordern, erst gar nicht hätte übernehmen dürfen. Sollte es pleitegehen, wäre das aber nur noch eine akademische Frage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2015)

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