Kutschera: „Leute, die sprechen, schießen nicht“

Kutschera
Kutschera(c) Michaela Bruckberger
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Rechtsanwalt Michael Kutschera spricht über die International Bar Association, die größte und einflussreichste internationale Anwaltsorganisation weltweit.

Im Oktober 2015 hält die International Bar Association (IBA) ihre sechstägige Jahreskonferenz in Wien ab. Es ist das größte Treffen der internationalen Rechtsbranche. Rund 6000 Anwälte werden erwartet. Die IBA ist die an Mitgliedern stärkste internationale Organisation von Rechtsanwälten und Rechtsanwaltskammern. Der Binder-Grösswang-Partner Michael Kutschera ist Vertreter des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages im Council der IBA und war in den vergangenen sechs Jahren Mitglied ihres Management Board. Er hat die Bewerbung Wiens um die Austragung der heurigen Konferenz koordiniert und betrieben.

Die Presse: Die IBA wurde 1947, also kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, gegründet. Wie kam es dazu?

Michael Kutschera: Sie wurde nach dem Modell der Vereinten Nationen auf Betreiben der USA mit dem Ziel gegründet, die Anwaltschaften der Welt zu einem regelmäßigen Gedankenaustausch zu bringen und dadurch Kriege zu vermeiden. Diese Erwartung hatte wohl auch damit zu tun, dass in den USA schon seit ihrer Gründung Anwälte eine viel bedeutendere Rolle in der Politik gespielt haben als etwa in Europa. Ich denke etwa an den Kriegsminister Henry Lewis Stimson oder John Foster Dulles, den legendären Außenminister, der zuvor Partner einer sehr prominenten New Yorker Wirtschaftskanzlei war. Bill und Hillary Clinton, Michelle und Barack Obama, sie alle sind Anwälte. Dazu kommt, dass unser Verständnis von Anwaltschaft nicht mit der in den USA gebräuchlichen Bedeutung von „Bar“ gleichzusetzen ist. Zu ihnen gehören in den USA auch Richter. Juristen können und sollen viel zur Verständigung der Völker beitragen, so die Idee. Die weltweite Organisation von Anwaltschaften und Juristen sollte auch zur Verständigung der Staaten auf bestimmte Grundprinzipien beitragen, wie etwa jenes der Rechtsstaatlichkeit.

Der Fokus liegt also auf dem Rechtsstaat, den Menschenrechten und dem Völkerrecht.

So ist es. Leute, die miteinander sprechen, schießen in der Regel nicht aufeinander. Ein weiteres Ziel der IBA war es darüber hinaus immer, die grenzüberschreitende Tätigkeit von Anwälte zu erleichtern. Auf der Ebene der Europäischen Union gibt es genaue Vorschriften dazu, unter welchen Voraussetzungen und wie ein im Land A zugelassener Anwalt auch im Land B tätig werden kann. Auf globaler Ebene ist das primär ein Teil der WTO (World Trade Organization)und GATS (General Agreement on Trade in Services) Schließlich spielt der fachliche Austausch eine enorme Rolle.

Wer kann Mitglied der IBA werden?

Ursprünglich waren das nur Rechtsanwaltskammern, also die Bars. Seit Jahrzehnten sind auch Individualmitgliedschaften und seit einigen Jahren die Mitgliedschaft von Anwaltskanzleien möglich. Das hat der IBA eine einzigartige Struktur gegeben. Sie gibt ihr eine besondere Legitimität, wenn sie ihre Stimme erhebt. So gut wie alle Kammern dieser Welt (Anm.: 190) sind Mitglieder und haben im Council eine gewichtige Stimme. Und es gibt als Mitglieder 55.000 Einzelanwälte und einige Dutzend Anwaltskanzleien. Das ist natürlich nur ein Bruchteil aller Anwälte und Kanzleien dieser Welt, aber es sind sicher nicht die schlechtesten.

Von einer Mitgliedschaft bei der IBA erhoffen sich wohl die meisten, vielversprechende geschäftliche Kontakte zu knüpfen.

Natürlich gibt es auch den Netzwerkgedanken, aber er ist bei Weitem nicht das einzig Maßgebliche.

Es ist ja nichts falsch daran, auch berufliche Interessen zu verfolgen.

Die persönliche Begegnung ist für jeden Anwalt wichtig, der international tätig ist. Wenn ich einen Fall mit Bezügen zu einem fernen Land übernehme, bin ich darauf angewiesen, mit einem Kollegen von dort zusammenzuarbeiten. Wenn man das Glück hatte, schon jemanden kennen gelernt und mit ihm oder ihr vielleicht sogar ein Glas Wein getrunken zu haben, dann fällt alles Weitere erheblich leichter.

Was unterscheidet die IBA von anderen Anwaltsklubs?

Über die Jahre ist es der IBA – aufgrund ihrer globalen Reichweite, der Qualität ihrer Mitglieder, der Professionalität ihrer Organisation und ihrer Veranstaltungen – gelungen, das führende Schiff zu werden. Das hat auch mit der Sprache zu tun, die bei der IBA grundsätzlich Englisch ist.

Was kostet die Mitgliedschaft bei der IBA?

Das weiß ich nicht aus dem Stegreif. Sie kann sich jeder Anwalt leisten, der nicht in sehr prekären Umständen lebt. Aber die Mitgliedschaft allein bringt nicht viel. Die Teilnahme an den zahlreichen, fachlich fokussierten Veranstaltungen ist das Wertvolle. Die kostet neben der Teilnahmegebühr auch Anreise und Unterkunft. Doch diese Ausgaben sind ein Investment. Sie ermöglichen die (oft verpflichtende), für jeden und jede nötige Weiterbildung, besonders für jene, die mit internationalem Bezug arbeiten.

War es schwierig, die Jahreskonferenz nach Wien zu holen?

Es gibt immer mehrere starke Bewerber, und so war es auch bei uns. Chancen haben nur Länder, in denen rechtsstaatliche Verhältnisse herrschen und in denen die Sicherheit der Teilnehmer gewährleistet ist. Dann kommt es darauf an, dass die Bewerberstadt ganz allgemein Anziehungskraft und die Infrastruktur für eine so große Konferenz hat. Auch in Europa gibt es nicht so viele Städte, die ein ausreichend großes Konferenzzentrum haben. Wir freuen uns jedenfalls sehr, dass Wien alle Kriterien der IBA erfüllt und dieses Jahr Gastgeber sein kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2015)

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