Strafbare Untreue, auf das Wesentliche konzentriert

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Die geplante Neufassung der Untreue vergibt eine Chance. Die Bestimmung sollte sich auf drei Tatbestände fokussieren.

Wien. Im Vergleich zur jahrelangen Erregung wirkt die aktuelle Debatte fast stiefmütterlich. Nicht erst seit einem umstrittenen Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Libro steht die gerichtliche Handhabung des Untreue-Tatbestands im Kreuzfeuer der Kritik. Nun plant das Parlament eine Novellierung.

Kritisiert wurde, dass durchschnittlich risikofreudige Manager permanent mit einem Bein im Kriminal stünden. Erweist sich eine unternehmerische Entscheidung als Fehler, sei schnell der Untreue-Vorwurf bei der Hand. Die Ansicht des Strafrichters über Unternehmensführung werde den Managern als Richtschnur ihres Handelns aufgezwungen, hörte man.

Wechselvolle Geschichte

Nach dem folgenschweren Zusammenbruch der Bodencreditanstalt war in der Zwischenkriegszeit erstmals Untreue unter Strafe gestellt worden. Wesentlich damals: ein Bereicherungsvorsatz. Nur wer sich (oder andere) durch die Missbrauchshandlung bereichern wollte, machte sich schuldig. In den 1960er-Jahren wurde dieses Tatbestandsmerkmal nach den Empfehlungen der großen Strafrechtskommission abgeschafft: „Denn wegen Untreue ist ein Bevollmächtigter auch dann strafwürdig, wenn er, ohne einen Vermögensvorteil für sich oder einen anderen zu erstreben, aus welchen Motiven immer dem Machtgeber [...] einen Vermögensnachteil zufügen will.“

Nicht mehr der Missbrauch, dem ein Schaden folgt, steht nach diesem Sinneswandel im Fokus. Vielmehr soll die vorsätzliche Schädigung durch Ausnützen eingeräumten Vertrauens verpönt sein.

Doch ein Schaden gehört zum erfolgreichen Wirtschaftsleben wie ein Kontertor zum Offensivfußball. Und der Vorwurf, dass der Schaden billigend in Kauf genommen wurde, ist schnell erhoben. Kommt dann eine formalistische Verfolgungspraxis dazu, wird aus jedem Verstoß gegen eine Unterschriftenregelung ein Befugnismissbrauch.

Eine Präzisierung und Konzentration des Tatbestands auf seine Kernaufgaben ist also sinnvoll. Doch die vorgeschlagene Formulierung bietet kein Mehr an Klarheit – weder für Manager (Befugnisträger) noch für Staatsanwälte und Richter. Warum ein „unvertretbarer Verstoß gegen Regeln“, eindeutiger sein soll als ein „wissentlicher Missbrauch der übertragenen Befugnis“, bleibt rätselhaft. Eine verbindliche Auslegung wird ob der Vielzahl der Lebenssachverhalte auch dem OGH schwerfallen. Die Ersetzung eines unbestimmten Gesetzesbegriffs durch einen anderen führt allenfalls zu einer trügerischen Sicherheit.

Grundsätzlich zu begrüßen ist die zweite geplante Änderung: Nach dem Initiativantrag soll die Strafbarkeit ausscheiden, wenn der wirtschaftlich Berechtigte der Vertretungshandlung zustimmt. Dieser Vorschlag soll die bis zur Libro-Entscheidung geltende Judikatur zur Ein-Mann-GmbH für alle Gesellschaften (insbesondere auch die AG) festschreiben. Doch sollte die Formulierung noch dahingehend präzisiert werden, dass nur die Zustimmung sämtlicher Machtgeber strafausschließend wirkt. Andernfalls könnte der Mehrheitsaktionär die Gesellschaft auf Kosten der Minderheit „leerräumen“ – die Schädigung durch einen als Großaktionär auftretenden Landeshauptmann bliebe ungeahndet.

Doch es wäre schade, die Gelegenheit nur für Kosmetik zu nutzen. Eine Fokussierung auf jene Handlungen, die als besonders verpönt gelten, könnte die ersehnte Klarheit schaffen und gleichzeitig für die Entlastung der Strafverfolgungsbehörden von minder schweren Fällen sorgen.

Strafwürdig ist jedenfalls der bewusste Missbrauch, um sich oder einen anderen zu bereichern. Als zweite Fallgruppe sind Verstöße unmittelbar gegen Gesetze und behördliche Aufträge zu nennen. Verstöße gegen staatliche Regeln sollte auch der Staat verfolgen; privatautonom vereinbarte Regeln könnten der privaten Verfolgung überlassen werden. Die dritte Fallgruppe sollte besonders große Schäden und die Schädigung vieler Menschen umfassen. Allenfalls könnte man eine vierte Fallgruppe aufnehmen – die der besonders schutzwürdigen, weil „wehrlosen“ Machtgeber wie etwa Besachwaltete, Unmündige oder gemeinnützige oder auch öffentliche Einrichtungen.

Alternative Voraussetzungen

Strafbar sollte also sein, wer seinen Befugnisgeber vorsätzlich schädigt, indem er wissentlich die ihm übertragene Befugnis (das Vertrauen) missbraucht, wenn er
•mit dem Vorsatz handelt, sich selbst oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern,
•einen fünf Millionen Euro übersteigenden Schaden zufügt oder eine große Anzahl an Menschen schädigt, oder
•gegen eine ihm unmittelbar durch Gesetz oder behördlichen Auftrag auferlegte Pflicht verstößt.

Mit diesen alternativen Tatbestandsmerkmalen würden Bagatellfälle aus der Verfolgungsverpflichtung der Staatsanwaltschaften herausfallen und das komplexe Delikt der Untreue im Wesentlichen bei einer Stelle, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, konzentriert werden. Die frei werdenden Ressourcen könnten genutzt werden, um große Wirtschaftsstrafverfahren zu beschleunigen. Und Geschäftsleiter wüssten im Vorhinein besser, woran sie sind.


Mag. Krakow, MBA, ist Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Baker & McKenzie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2015)

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