Causa Lansky: Gibt es dringenden Tatverdacht?

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Die Staatsanwaltschaft Wien hat, kurz bevor ihr der Akt entzogen und nach Linz übertragen worden ist, ein Rechtshilfeersuchen an Luxemburg gestellt. Was hat das zu bedeuten?

Beim Alijew-Prozess – er läuft immer noch unter dieser Bezeichnung, obwohl der ursprüngliche Hauptangeklagte, Rachat Alijew, nicht mehr am Leben ist – sorgte die Enthaftung der beiden Mitangeklagten Vadim Koshlyak und Alnur Mussayev zuletzt für Aufsehen. Turbulenzen gibt es aber auch auf einem Nebenschauplatz: im sogenannten §-256-Verfahren.

In diesem geht es unter anderem um nachrichtendienstliche Tätigkeiten zum Nachteil Österreichs. Und indirekt auch um Lobbying und anwaltliches Berufs- und Standesrecht: Wie weit darf ein Anwalt gehen, wenn er für Mandanten lobbyiert, ist die Frage. Und: Inwieweit kann er sich auf das Anwaltsgeheimnis berufen, wenn gegen ihn selbst ermittelt wird?

Aber von Anfang an: Mehreren Beschuldigten wird vorgeworfen, in der Causa mehr als unbedingt geboten mit dem kasachischen Geheimdienst KNB zusammengearbeitet zu haben. Und zwar mit dem Ziel, zunächst eine Auslieferung des mordverdächtigen kasachischen Ex-Diplomaten in sein Heimatland zu erreichen – und dann, als das gescheitert war, seine Verurteilung in Österreich. Dabei soll es auch zu überzogenen Einflussnahmen auf österreichische Behörden gekommen sein. Die Ermittlungen laufen seit Jahren – unter anderem gegen den Anwalt Gabriel Lansky, der über den Opferverein Tagdyr die Witwen der mutmaßlichen Mordopfer vertritt. Diesem Verein wurde von heimischen Ermittlungsbehörden immer wieder nachgesagt, eine Tarnorganisation des KNB zu sein. Alle Betroffenen bestreiten die Vorwürfe vehement, für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Verlagerung nach Linz

Erst kürzlich gab es in der Sache eine Überraschung: Das §-256-Verfahren wurde der Staatsanwaltschaft Wien von der Generalprokuratur entzogen und nach Linz verlegt. Doch das ist noch nicht alles: Wie „Die Presse“ erfuhr, erging bereits Anfang April in der Sache ein Rechtshilfeersuchen nach Luxemburg, um Daten aus der Kanzlei Lansky sicherzustellen, die dort auf zwei Servern gelagert sind.

Mit der Verlegung des Verfahrens nach Linz sollen wohl Vorwürfe der Befangenheit hintangehalten werden, zumal auch gegen eine Oberstaatsanwältin Ermittlungen laufen. Diese arbeitete vorübergehend in Lanskys Kanzlei und war dort auch mit der Causa Alijew befasst. Dabei soll sie, so der Vorwurf, Informationen beschafft haben, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen. Auch für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Wie „Die Presse“ erfuhr und die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien bestätigte, ist jedoch der Akt bis dato noch nicht vollständig an die Staatsanwaltschaft Linz übergeben worden. Teile sind noch in Wien. Aufgrund laufender Eingaben bis zum Schluss sei eine Übertragung in einem Zug nicht möglich gewesen, so die Auskunft.

Wie auch immer: Das Rechtshilfeersuchen hat es ebenfalls in sich. Denn es gab ein solches auch schon 2013. Es beruhte auf einer Sicherstellungsanordnung der Staatsanwaltschaft. Und: Sicherstellungen, die Daten eines Anwalts betreffen, sind wegen des Berufsgeheimnisses der Anwälte zwangsläufig besonders heikel. Eine Beschlagnahme setzt Dringlichkeit des Tatverdachts gegen den Anwalt voraus.

Die damalige Sicherstellungsanordnung wurde im August des Vorjahres vom Oberlandesgericht Wien (OLG) für rechtswidrig erklärt. In dem OLG-Beschluss heißt es, der Tatverdacht erreiche „letztlich doch nicht die für den Zugriff gebotene verdichtete Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung“. In weiterer Folge entschieden auch die Gerichte in Luxemburg – dem Vernehmen nach bereits in letzter Instanz –, es seien dort ebenfalls keine eigenen Ermittlungen einzuleiten.

Aufgrund dieser Gerichtsentscheide wäre die Beschlagnahme hinfällig geworden – der neue österreichische Antrag auf Rechtshilfe dürfte das nun aber ändern. Die Wiener Ermittler haben ihn sichtlich noch rasch gestellt, bevor sie den Akt an die Linzer Kollegen abtreten mussten. Unter der Prämisse, dass sie sich an besagtem OLG-Beschluss orientiert haben, hat dieser Schritt Sprengkraft: Er deutet dann nämlich darauf hin, dass sich aus der Sicht der Staatsanwaltschaft der Tatverdacht gegen Lansky und seine Mitstreiter nun doch verdichtet hat. Und zwar so sehr, dass ein Zugriff auf die Daten nun gerechtfertigt erscheint.

Rechtsanwalt Stefan Prochaska, einer von Lanskys Gegnern in der Causa, sieht sich durch das neuerliche Rechtshilfeersuchen bestätigt: „Unsere Einschätzung der Unterlagen kann so falsch nicht gewesen sein, wenn die Staatsanwaltschaft aufgrund derselben Unterlagen zum selben Schluss kam, nämlich dass der dringende Tatverdacht gegeben ist“, sagt er.

Lansky dagegen bestreitet, dass sich an der Sachlage etwas geändert hat: „Es hat schon unzählige Versuche in dieser Art gegeben, und alle waren rechtswidrig und Unfug“, sagt er auf „Presse“-Anfrage und verweist auf die Gerichtsentscheidungen in Wien und Luxemburg. Auch jetzt gebe es „überhaupt nichts Neues“. Und: „Es ist ja auch noch nichts vollzogen.“

Gibt es ein Verwertungsverbot?

Lansky behauptet seinerseits, dass aus seiner Kanzlei in großem Stil sensible Daten gestohlen wurden. Er beschuldigt einen ehemaligen Mitarbeiter – und erwirkte in diesem Zusammenhang im vergangenen März eine einstweilige Verfügung gegen Prochaska.

Dieser hatte Alijew als Privatbeteiligten vertreten. Die einstweilige Verfügung untersagte ihm, von diesem Ex-Mitarbeiter Lanskys erhaltene Informationen zu verwerten. Eine eidesstattliche Erklärung des Mitarbeiters, wonach er nichts an Prochaska weitergegeben habe, blieb in dem Verfahren unberücksichtigt. Zu Unrecht, wie Prochaska der „Presse“ gegenüber sagte.

All das führt jedoch zu einer weiteren Grundsatzfrage, die losgelöst vom konkreten Fall zu sehen ist: Dürfen in einem Strafverfahren Beweismittel verwendet werden, die – von wem auch immer – nicht auf legale Weise gewonnen wurden? So viel steht fest: Ein absolutes Verwertungsverbot für solche Beweismittel gibt es in Österreich nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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