Umfahrung Schützen: Neues Kuriosum im Streitfall

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Enteignungen. Noch weiß niemand, ob sie rechtens sind – Gericht will aber nicht behobene Entschädigung einziehen.

Wien. Formuliert ist der Gerichtsbeschluss ein wenig kryptisch. Von einer „Erlagssache“ ist die Rede. Und von der Absicht des Gerichts, diese „für den Bund einzuziehen“, sollte nicht binnen drei Monaten jemand Anspruch darauf erheben.

Mit der Erlagssache ist Bares gemeint, ein vierstelliger Eurobetrag. Bei Gericht hinterlegt hat ihn das Land Burgenland – als Entschädigung für einen enteigneten Liegenschaftseigentümer, über dessen Grund jetzt eine Straße verläuft.

Es geht um die Ortsumfahrung von Schützen im Burgenland. Sie wurde vor Monaten eröffnet. Umstritten war sie von Anfang an, und immer noch befasst sie die Gerichte. Unter anderem wegen der Enteignungen: Bis heute ist nicht fix, ob diese rechtswirksam sind oder nicht. Wenn nicht, würde das heißen, dass die Straße – zumindest derzeit – über Privatgrund führt, mit unabsehbaren rechtlichen Folgen. Dass betroffene Grundeigentümer, während sie noch auf die diesbezügliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs warten, mit der möglichen Einziehung der für sie hinterlegten Entschädigungsbeträge konfrontiert werden, macht den Fall um eine Kuriosität reicher.

EuGH: Mitsprache für Anrainer

Begonnen hat alles damit, dass man das Projekt ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf den Weg brachte. Dass keine nötig sei, hatte sich das Land Burgenland im Dezember 2010 mit einem Feststellungsbescheid quasi selbst bescheinigt. Projektgegner bezweifeln bis heute, dass diese Entscheidung richtig war. Sie führen wasserrechtliche Probleme ins Treffen, auch von Überdimensioniertheit des Projekts ist die Rede. Das Land habe aber keine Bürgerbeteiligung gewollt und deshalb die UVP vermieden, lautet der Vorwurf.

Tatsächlich haben Anrainer im Feststellungsverfahren, ob eine UVP nötig ist, keine Parteistellung, der dort ergangene Feststellungsbescheid ist aber auch für sie bindend. Auch das wurde heftig kritisiert – mit Recht, wie vor Kurzem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem anderen Fall entschied (siehe Artikel links oben).

Diese Entscheidung verschafft Anrainern eine viel stärkere Rechtsposition als bisher. Und sie betrifft auch die Umfahrung Schützen: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat die Verfahren, in denen es um die Enteignungen geht, eigens ausgesetzt, um den Spruch des EuGH in dieser anderen Causa abzuwarten. In seinem Aussetzungsbeschluss deutete er an, dass selbst die Trassenverordnung, die den Verlauf der Umfahrung festlegt, EU-rechtswidrig sein könnte, wenn den Betroffenen in Sachen UVP-Pflicht ein formales Mitspracherecht zugestanden wäre. Dann verlöre womöglich sogar die Trassenführung ihre Rechtsgrundlage.

Noch steht nichts davon fest – alles wartet auf den Spruch des VwGH. Dass das Höchstgericht noch vor den Landtagswahlen am 31. Mai entscheiden wird, ist unwahrscheinlich – fraglich ist aber auch, ob das in den nächsten drei Monaten geschieht. Zur Erinnerung: Diese Frist wurde einem der Betroffenen gesetzt, um den für ihn hinterlegten Entschädigungsbetrag zu beheben. Grund dafür ist das „Verwahrungs- und Einziehungsgesetz“: Bei Gericht hinterlegte „Verwahrstücke“ mit einem Wert bis 10.000 Euro müssen nach einem Jahr ab dem Tag des Erlags eingezogen werden, wenn niemand sie beansprucht, bei einem höheren Wert nach fünf Jahren.

Fraglich ist jedoch, ob der Ablauf der Jahresfrist nicht gehemmt sein müsste, bis die anhängigen Verfahren (es gibt noch ein weiteres beim Bezirksgericht Eisenstadt) abgeschlossen sind. Und welche Folgen es überhaupt hätte, würde der Staat den Entschädigungsbetrag einziehen, bevor feststeht, ob die Enteignung nun gilt oder nicht.

Auch abseits der immer neuen rechtlichen Facetten bleibt das Projekt im Gespräch: Erst kürzlich präsentierte der Verein Pro Region Neusiedlersee eine Untersuchung über die Verkehrssituation des nördlichen Burgenlandes. Sie stellt der Verkehrspolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Den Anlass für die Studie gab die jahrelange Debatte um die Umfahrung Schützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2015)

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