Internetportale haften für unflätige Postings

Die Presse (Michaela Bruckerger)
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Fährschiffer bekommt 320 Euro Schadenersatz.

Ein Fährschiffer wurde auf einer estländischen Nachrichtenwebseite unflätig und in despektierlichem Ton von einem anonymen Poster angegriffen. Bei dem Streit ging es um nichts Weltbewegendes, sondern lediglich um die Frage, ob in Estland Fähren vor der Küste das Eis brechen und eine Auto-Überfahrt unmöglich machen dürfen.

Der Beleidigte setzte sich gegen die Anwürfe zur Wehr, das Internetportal entfernte die Einträge jedoch erst auf Aufforderung seiner Anwälte. Doch damit gab sich der Fährschiffer nicht zufrieden. Er begehrte Schadenersatz von dem Betreiber der Nachrichtenwebseite Delfi und bekam von einem estländischen Gericht 320 Euro zugesprochen. Delfi sah mit dem Urteil sein Recht auf Meinungsfreiheit verletzt.

Stimmt nicht, stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jetzt fest. Zwar verlangt das Gericht nicht, dass Webseiten alle Wortmeldungen von vornherein filtern müssten. Das würde die Meinungsfreiheit von Nachrichtenportalen zu stark einschränken.

Doch in diesem Fall hätten die Kommentare Hetze und direkte Drohungen gegen die körperliche Unversehrtheit von Personen enthalten. In einer solchen Situation könnten die Betreiber von Portalen verpflichtet werden, die Drohungen auch ohne einen Hinweis von Betroffenen zu entfernen.

Nach Meinung der Richter wäre Delfi auch durchaus in der Lage gewesen, schneller zu handeln. Der Betreiber habe die technischen Möglichkeiten gehabt, Kommentare zu kontrollieren.

Wohlgemerkt: Das Urteil gilt für den konkreten Fall und muss in anderen Staaten bei einer anderen rechtlichen Ausgangsposition so nicht umgesetzt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

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