Rechtsanwaltskammer: Transparenz in Theorie und Praxis

Themenbild
Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
  • Drucken

Gegen eine Funktionärin der Wiener Anwaltskammer wurden Vorwürfe erhoben. Sind sie inzwischen ausgeräumt? Darüber gibt es keine Auskunft.

Die Aufgaben der Vizepräsidentin der Wiener Rechtsanwaltskammer, Elisabeth Rech, sind, seitdem der neue Präsident Michael Enzinger im Amt ist, deutlich angewachsen. Schon bisher war sie für das Treuhandbuch und die Berufsüberwachung verantwortlich. Nun bekam sie einen weiteren Bereich übertragen: Künftig ist sie auch noch für Weisungen zuständig. Gemeint sind damit Auskünfte an die Kammermitglieder. Wenn sie Zweifel haben, ob ein Verhalten standesrechtlich korrekt ist, können sie die Kammer fragen. Halten sie sich an deren Auskunft, sichert sie das disziplinarrechtlich ab.

Dass Rech nun auch dafür verantwortlich ist, zeugt von dem großem Vertrauen, das Enzinger und auch der Ausschuss in sie setzen. Dabei war die Anwältin gerade in letzter Zeit gleich mehrfach – auch von Standesmitgliedern – stark kritisiert worden. Und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen hatte sie in der Causa Mathes („Die Presse“ berichtete) die Kammer in Erklärungsnot gebracht. Dabei ging es um den Wiener Anwalt, der sich im Oktober 2014 das Leben genommen und Berge an Schulden hinterlassen hatte. Aber es ging auch um die Berufsüberwachung durch die Kammer – und generell um ihren Umgang mit derlei Problemen. Ein Gutachten, das Ronald Rohrer, ehemals Vizepräsident des OGH, erstellt hatte, entlastete damals die zuständigen Funktionäre – allen voran Rech, die ja für die Berufsüberwachung verantwortlich ist. Erst nachträglich stellte sich heraus, dass dem Gutachter – zu dessen großem Ärger – gar nicht alle Unterlagen vorgelegt worden waren.

Und zum anderen bekam die Vizepräsidentin selbst wegen einer standesrechtlichen Frage Probleme: Rech war eine Zeit lang Anwältin von Alnur Mussajew, der jetzt wegen Mordverdachts vor Gericht steht. Das Erstaunliche dabei: 22.415,88 Euro an Honorar verrechnete sie ausgerechnet über die Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner (LGP). Diese hat in dem Verfahren aber die Rolle des Opfervertreters übernommen, steht also de facto auf der Gegenseite.

Rech selbst hatte die Sache gegenüber dem Verfassungsschutz (BVT) zu Protokoll gegeben. Im Vorjahr verursachte das monatelang medialen Wirbel: „Geheimdienst-Krimi in der Anwaltskammer“ titelte der „Kurier“, auch die „Presse“ berichtete. Das BVT hat später eine Sachverhaltsdarstellung an die Kammer verfasst, in der es um eine Reihe von Verdachtsmomenten gegen verschiedene Anwälte geht– unter anderem auch darum. Vom „Verdacht standeswidrigen Verhaltens“ ist da die Rede. Datiert ist das Schreiben mit 20.Februar 2015, es liegt der „Presse“ vor.

Schon einmal sprach die „Presse“ den neuen RAK-Präsidenten, Enzinger, darauf an. Wohlgemerkt: Er ist erst seit Anfang Mai im Amt. Die Sache sei ihm nicht bekannt, sagte er damals. Am Mittwoch wollte die „Presse“ nun wissen, ob man aus der Tatsache, dass Rech inzwischen sogar mit weiteren Funktionen betraut wurde, schließen dürfe, dass dieser Vorwurf gegen sie selbst nun ausgeräumt sei? Die Antwort darauf blieb Enzinger schuldig. Er kenne den Themenkomplex nach wie vor nicht: „Ich schaue mir nicht alle Akten an, die in der Vergangenheit angelegt wurden.“ Auch nicht, wenn sie einen Vorwurf gegen seine Vizepräsidentin betreffen? „Noch einmal, ich schaue mir nicht jeden Akt an.“ Nur so viel kann Enzinger sagen: „Sollte es zu einer Befangenheit kommen, haben wir eine Vertretungsregelung.“ Und: „Disziplinarthemen, die einen Funktionär betreffen, können wir gar nicht beurteilen.“ Das mache dann eventuell eine andere Kammer, so etwas komme gelegentlich vor. Ob das auch in Rechs Fall so ist oder war? Über Disziplinarangelegenheiten dürfe er keine Auskunft geben, sagt er. Punkt. Rech selbst war für die „Presse“ nicht erreichbar.

Wie sagte Enzinger in einem „Presse“-Interview vor der Kammerwahl? „Transparenz ist für mich bei öffentlichen Institutionen extrem wichtig. Die schlechteste Problemlösung ist das Unter-den-Teppich-Kehren. Das hat noch nie funktioniert.“ Er hat recht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.