Geld von Airlines: Kampf rentiert sich

FLUGHAFEN WIEN VERZOeGERUNG WEGEN BETRIEBSVERSAMMLUNG
FLUGHAFEN WIEN VERZOeGERUNG WEGEN BETRIEBSVERSAMMLUNGAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Der EuGH hat in mehreren Urteilen die EU-Verordnung präzisiert. Die Möglichkeiten für Passagiere, sich Unannehmlichkeiten abgelten zu lassen, sind gar nicht so gering.

Wien. Die Bilder gleichen sich rund um den Globus: Genervte, resignierte, manchmal aber auch aggressive Menschen auf Flughäfen, die vom Ausfall oder der Verspätung ihres Fluges erfahren. Während unter dem Jahr meist Geschäftsreisende um ihre Meeting-Termine bangen – oder sie in den Wind schreiben müssen –, sind es jetzt in der Ferienzeit tausende Urlauber, die den ersehnten Strand oft mit dem Airport-Fußboden tauschen müssen.

Der Ärger verfliegt früher oder später, die wenigsten Reisenden wissen aber, dass sie Anspruch auf eine Entschädigung haben – was zumindest ein Trostpflaster ist. Und noch weniger Passagiere machen ihre Rechte, die in der EU-Fluggastrechteverordnung von 2005 festgeschrieben sind, auch auf dem Zivilweg geltend, hat der deutsche Dienstleister Refund.me jüngst erhoben. Unwissenheit, Sorge über zu viel Bürokratie oder auch die Einstellung, dass gegen die mächtigen Airlines ohnedies kein Kraut gewachsen ist, sind die Hauptursachen, warum so viele Menschen Millionen „verschenken“.

Dabei ist alles klar geregelt – nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in mehreren Verfahren die EU-Verordnung präzisiert hat. Sie gilt übrigens für alle Flüge, die in der EU angetreten werden oder die von einer Fluglinie mit Sitz in der EU oder Island, Norwegen oder der Schweiz durchgeführt werden und die EU als Ziel haben.

„Es geht vor allem um drei Bereiche: Nichtbeförderung vor allem bei Überbuchung, Annullierung von Flügen und Verspätungen“, erklärt Nicholas Aquilina, in der Kanzlei Brandl & Talos auf Europarecht spezialisiert. Die beiden ersten Punkte werden ähnlich behandelt: Abgesehen von der Betreuung am Flughafen, die vom Verpflegungsbon bis zur Gratis-Hotelübernachtung reicht, muss der Ticketpreis erstattet werden und, so das Malheur am Zielort passiert, dem Passagier ein kostenloser Rückflug angeboten werden.

Die Ausgleichszahlung beträgt in beiden Fällen 250 bis 600 Euro, sie ist aber gestaffelt nach der Länge der Flugstrecke. Wird ein Flug gecancelt, hat ein Passagier aber nur Anrecht auf eine Entschädigung, wenn die Fluglinie nicht bis spätestens 14 Tage vor dem geplanten Abflug den Gast verständigt. Erfolgt die Benachrichtigung in einem kürzeren Zeitraum, darf der (neue) Flug nicht mehr als eine Stunde vor dem geplanten Abflug starten und nicht mehr als zwei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit ankommen.

„Dieser Drei-Stunden-Puffer wurde dann auch für den Fall von Verspätungen herangezogen“, sagt Aquilina. Der EuGH hat sich nämlich im Jahr 2009 (C-402/07 und C-432/07) das Thema Verspätungen noch einmal vorgenommen, nachdem Passagiere argumentiert hatten, dass ihnen bei einer größeren Verspätung ein ähnlicher Schaden entstünde wie bei einer Annullierung. Demnach stehen Passagieren bei Verspätungen ab drei Stunden dieselben Ausgleichszahlungen zu, die auch bei Annullierungen angesetzt sind (also 250 bis 600 Euro).

Streik und Schlechtwetter

Allerdings nur dann, wenn die Airline keine außergewöhnlichen Umstände ins Treffen führen kann. Dazu zählen etwa ein Streik, politische Wirren, Schlechtwetter oder Sicherheitsrisken. Der EuGH hat allerdings 2013 klargestellt, dass eine Airline, die Flüge aufgrund außergewöhnlicher Umstände wie der Schließung des Luftraums nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull annullieren muss, ihre Passagiere betreuen muss.

Der generelle Vorteil für Passagiere bei der Geltendmachung von Ansprüchen: Sie müssen einen tatsächlichen Schaden nicht nachweisen, da es um einen pauschalierten Schadenersatz für die Unannehmlichkeiten geht. Und noch etwas wird Vielflieger interessieren: „Die Bestimmungen gelten nicht nur für Linien-, Charter- und Billigairlines. Sie gelten auch für Tickets, die über Bonusprogramme wie Miles & More mit Meilen bezahlt wurden“, so Aquilina.

Was heißt aber nun „drei Stunden Verspätung“? Ab wann wird gerechnet? Nach etlichen Streitfällen haben die europäischen Höchstrichter dazu im Vorjahr (C-452/13) eine wichtige Entscheidung getroffen: Während sie sich zum Abflug nicht speziell äußerten („hier dürfte der Zeitpunkt des Abhebens gelten“, so Aquilina) wurde die Ankunft ausjudiziert: Ausschlaggebend für das Ausmaß einer Verspätung sei, wann nach der Landung mindestens eine Tür der Maschine geöffnet worden sei, urteilten die Luxemburger Richter. Ihr Argument: Fluggäste stünden so lang unter der Kontrolle der Fluglinie, bis sich die Flugzeugtüren öffnen. Auch noch nach der Landung seien zudem die Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt.

Der Anlassfall stammt aus Österreich: Ein Flugzeug der Germanwings hob mit drei Stunden Verspätung in Salzburg ab und landete entsprechend später in Köln. Germanwings argumentierte, die Räder der Maschine hätten um zwei Stunden 58 Minuten zu spät aufgesetzt. Ein Passagier sah das anders und bemühte die Justiz. Das Landesgericht Salzburg bat den EuGH um Klärung. Dieser verhalf dem streitbaren Passagier zu 250 Euro.

AUF EINEN BLICK

Passagiere, die wegen Überbuchung oder Annullierung einen Flug nicht antreten konnten oder deren Flug mehr als drei Stunden Verspätung hatte, haben laut der EU-Fluggastrechteverordnung das Recht auf Entschädigung. Die Möglichkeiten sind gar nicht so gering, allerdings zahlt es sich aus, das Kleingedruckte in den Bestimmungen zu lesen. Geltend macht man Ansprüche auf dem Weg eines Zivilverfahrens nach der jeweils geltenden nationalen Rechtsordnung. Inzwischen gibt es einige Dienstleister, die sich auf Unterstützung spezialisiert haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2015)

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