Geldwäsche: Vom Jäger zum Gejagten

Branchenexperten sind konsterniert: Steuerhinterziehung könne man nicht mit erhöhter Geldwäsche-Compliance bekämpfen.  [ APA ]
Branchenexperten sind konsterniert: Steuerhinterziehung könne man nicht mit erhöhter Geldwäsche-Compliance bekämpfen. [ APA ](c) BilderBox
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Strafrecht. Die vierte Anti-Geldwäsche-Richtlinie aus Brüssel stößt bei Österreichs Meldepflichtigen auf wenig Gegenliebe. Sie fürchten großen Aufwand, hohe Sorgfaltsstandards und scharfe Strafen.

Wien. Waschen kann man vieles. Geschirr, Wäsche, Geld. Letzteres wird Ende Juni 2017 jedoch eine Spur erschwert. Denn bis dahin muss Österreich die vierte europäische Anti-Geldwäsche-Richtlinie umsetzen.

Unter den vergangenen Donnerstag in die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien zum Thema der Geldwäschebekämpfung geladenen Experten waren nicht alle erfreut über die von Brüssel verabschiedeten Vorgaben. Denn die Richtlinie enthält neben der Einführung eines zentralen Registers für wirtschaftliche Eigentümer und neuen Regelungen für Geschäfte mit politisch exponierten Personen scharfe Sorgfaltspflichten und noch schärfere Sanktionen bei ihrer Nichteinhaltung. Sie erhöht damit den Druck auf die Meldepflichtigen – seien es Banken, Versicherungen oder aber der kleine Notar, Steuerberater oder Anwalt mit drei Angestellten.

Der Geldwäscherei, wie sie im österreichischen Strafgesetzbuch geregelt ist, macht sich strafbar, wer eigenes oder fremdes illegal erworbenes Vermögen wissentlich in den legalen Wirtschaftskreislauf einschleust. Aktuell kommen als Vortaten alle Verbrechen infrage, etwa Untreue oder Urkundenfälschung. Als solche werden vorsätzliche Straftaten, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, bezeichnet. Zusätzlich waren bisher unter anderem einzelne schwerere Finanzdelikte wie Schmuggel und wahrheitswidrige Zollanmeldungen erfasst.

Steuerhinterzieher im Fokus

Die Richtlinie schreibt nun explizit vor, dass alle Steuerstraftaten, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe zu ahnden sind, Vortaten darstellen müssen. Marcus Schmitt von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schließt nicht aus, dass der österreichische Gesetzgeber neben dem Delikt des Abgabenbetrugs möglicherweise auch die klassische Abgabenhinterziehung zur Vortat erhebt. Er gibt zu bedenken: „Nicht jeder Abgabenhinterzieher will gleich Geldwäsche betreiben.“ Ein Vergehen, für das in der Praxis oft Sozialdienst verhängt wird, könnte unter das Regime des Strafgesetzbuchs fallen und wäre mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht, so der Staatsanwalt. Die mit der Ausdehnung des Geldwäschebegriffs einhergehende Verschärfung der Meldepflichten bringt aber auch Berufsstände wie die der Anwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder in eine heikle Situation. Bisher mussten sie die Geldwäschemeldestelle im Innenministerium alarmieren, sobald der Verdacht aufkam, dass ihr Mandant Geld wäscht.

Ab Umsetzung der neuen Richtlinie müssten sie bereits tätig werden, wenn der Verdacht im Raum steht, dass „Gelder unabhängig vom Betrag aus kriminellen Tätigkeiten stammen“, so der Wortlaut der EU-Vorgabe. Die Kontrolle auf mögliche Vortaten wie Steuerhinterziehung oder Bestechlichkeit sei zwar bei den Banken bisher schon gelebt worden, bei Steuerberatern oder Rechtsanwälten stelle das allerdings einen großen Einschnitt dar, so Severin Glaser, WU-Professor für Wirtschaftsstrafrecht. „Der Gesetzgeber muss hier sehr behutsam vorgehen.“

Rainer Brandl, Partner in der Steuerberatungskanzlei LeitnerLeitner, sieht die Bestimmung „sehr skeptisch“. Kleinen Kanzleien würde ein enormer Aufwand für Mitarbeiterschulungen und IT-Umstellung aufgebürdet. So sieht das auch Glaser: „Auf die Rechtsanwälte und Steuerberater werden staatliche Aufgaben ausgelagert – ohne Kostenersatz.“ Er stellt den Straftatbestand Geldwäscherei generell infrage: Angesprochen auf die wenigen Verurteilungen würde die Staatsanwaltschaft mit dem praktischen Nutzen kontern, dass man so auf die Vortaten käme. „Es ist eigentlich ein Trick“, konstatiert Glaser. „Ist das eine Daseinsberechtigung für ein eigenes Delikt?“

Falsche Medizin

Ähnlich argumentiert Brandl: „Gegen Steuerhinterziehung ist nicht mit Geldwäsche-Compliance anzukommen.“ Die Richtlinie sei bei Umsatzsteuerkarussellen oder Off-Shore-Konten sinnvoll. „Aber was gut gemeint ist, passt in der allgemeinen Beschreibung auf den normalen Steuerhinterzieher, der Schwarzumsatz macht“, so Brandl.

Als einzige positive Neuerung an der „überbordenden Compliance-Pflicht“ sieht er die Verstärkung des risikobasierten Ansatzes. Klienten mit Off-Shore-Gesellschaften unterliegen bedeutend strengeren Musterungen als Unternehmer, die laufend unauffällige Transaktionen tätigen. Diese Nivellierung betont auch Schmitt: Niemand sei gezwungen, sich per se zu rechtfertigen oder Klienten unter Generalverdacht zu stellen.

In Fällen, in denen jedoch das nach der Risikoabwägung gebotene Handeln unterlassen wurde, müssen die Meldepflichtigen mit drakonischen Strafen rechnen. Der Sanktionenkatalog der EU-Richtlinie liest sich wie der Albtraum jedes Steuerberaters. Die maximale Geldbuße für natürliche Personen liegt bei fünf Millionen, daneben drohen die öffentliche Bekanntmachung des Sanktionierten und Berufsverbote. „Das ist die Todesstrafe für jeden Steuerberater“, so Brandl. Staatsanwalt Schmitt zitiert die Frage eines Konferenzteilnehmers: „Wer will da noch Geldwäschebeauftragter werden?“

AUF EINEN BLICK

EU-Vorgabe. Bis Ende Juni 2017 muss Österreich die vierte europäische Anti-Geldwäsche-Richtlinie (RL) umsetzen. Wie schon ihre Vorgängerin aus Brüssel adressiert sie großteils die Banken- und Rechtsberatungsbranchen, die Geldwäscheverdachtsfälle melden müssen. Sie stöhnen angesichts der strengen Sorgfaltspflichten und des harten Sanktionenkatalogs. Im Fall einer unterlassenen Meldung droht die RL mit Millionenstrafen und Berufsverboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2015)

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