Steuerrecht: Virtuelle Auslandsjobs haben Tücken

Virtuell für Auslandsfirmen zu arbeiten hat manchmal ungeahnte Wirkungen.
Virtuell für Auslandsfirmen zu arbeiten hat manchmal ungeahnte Wirkungen.(c) REUTERS (KACPER PEMPEL)
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Man muss heute nicht mehr unbedingt übersiedeln, um für eine ausländische Firma zu arbeiten. Die virtuelle Variante hält aber steuerliche Überraschungen bereit.

Wien.In Österreich leben und gleichzeitig im Ausland arbeiten: Pendler im grenznahen Raum machen das – aber nicht nur sie. Es gibt inzwischen auch Leute, die zwar einen Job im Ausland haben, dabei aber weitgehend ohne Ortswechsel auskommen – weil sie nur virtuell für ihren ausländischen Betrieb werken.

Oft geschieht so etwas innerhalb von Konzernen: Ein Konzernunternehmen braucht eine Arbeitskraft mit einer bestimmten Qualifikation, ein anderes kann eine solche für eine gewisse Zeit zur Verfügung stellen. Je nach Aufgabenstellung muss der Mitarbeiter dann nicht unbedingt für ein paar Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre übersiedeln, sondern kann mithilfe elektronischer Medien für das andere Unternehmen arbeiten. Dabei bleibt er auf seinem bisherigen Arbeitsplatz, ist auch weiterhin bei seinem Arbeitgeber angestellt und bekommt von diesem sein Gehalt. Das andere Unternehmen refundiert die Kosten.

Solche „virtuellen Entsendungen“ werden immer häufiger, sagt Iris Fischlmayr, Professorin für internationales Management an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Man habe in Österreich Unternehmen dazu befragt; herausgekommen sei, dass von jenen, die Mitarbeiter für Auslandstätigkeiten einsetzen, 53,3 Prozent auch die virtuelle Variante anbieten. Die große Mehrheit der Unternehmen rechne damit, dass diese zukünftig an Bedeutung gewinnen werde.

Krisen verstärken den Trend

Warum ist das so? Aus Unternehmenssicht vor allem, weil virtuelle Auslandseinsätze billiger kommen. Aber auch nicht jeder Mitarbeiter reißt sich ums Übersiedeln ins Ausland. Oft sprechen familiäre Gründe dagegen – auch wenn die virtuelle Alternative ihre eigenen Tücken hat, man denke an Telefonate und Videokonferenzen zu nachtschlafender Zeit, wenn der Betrieb in einer anderen Zeitzone liegt. Ein Garant für ungestörtes Privatleben ist die virtuelle Entsendung also nicht.

Manchmal geht es aber schlicht um den Sicherheitsaspekt: Wenn potenzielle Einsatzorte in Krisengebieten liegen, ersetzt man Aufenthalte dort gern durch Intranet, E-Mail und Skype. Auch solche Fälle werden immer häufiger.

Mitunter drängt sich die virtuelle Variante auf, wenn ein Mitarbeiter für zwei Unternehmen arbeitet. Also etwa zu 60 Prozent weiterhin für seinen Arbeitgeber tätig ist und zu 40 Prozent für eine ausländische Konzernschwester.

Alles in allem habe beim Thema virtuelle Entsendungen die Praxis die Wissenschaft überholt, sagt Fischlmayr. Viele Aspekte der neuen Arbeitsform werden erst in letzter Zeit genauer hinterfragt. Das betrifft ebenso die rechtliche und steuerliche Seite.

Steuerlich sind Auslandseinsätze generell heikel, weil zu klären ist, welchem Land das Besteuerungsrecht für erzielte Einkünfte zusteht. Wie ist das nun aber bei einer virtuellen Entsendung? Da könnte man annehmen, dass sich steuerlich gar nichts ändert, selbst wenn man vorübergehend nicht für den eigenen Dienstgeber, sondern für eine ausländische Konzernschwester werkt– denn man tut seine Arbeit ja weiterhin im Inland. Ganz so ist es aber nicht: „Ab der ersten Dienstreise zum Beschäftigerunternehmen kann es steuerliche Konsequenzen geben“, sagt Steuerberaterin Andrea Kopecek, Partnerin bei Deloitte.

Es kommt bei Entsendungen nämlich auch auf den wirtschaftlichen Arbeitgeber an – dazu gibt es seit Mitte 2014 einen Erlass des Finanzministeriums. Wirtschaftlicher Arbeitgeber ist in einer Konstellation wie der beschriebenen das ausländische Konzernunternehmen, für das der Dienstnehmer tätig wird, denn dieses hat den wirtschaftlichen Nutzen und kommt auch indirekt für die Kosten auf. Solange man ausschließlich virtuell für dieses arbeitet, wirkt sich das steuerlich nicht aus. Sobald man sich aber auch physisch in dem anderen Land aufhält – und sei es nur für einen Tag – wird man dort gegebenenfalls bereits steuerpflichtig. In Österreich wird, je nachdem, was das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen vorsieht, diese Steuer angerechnet, oder es kommt zu einer Freistellung. Vielen Unternehmen und Arbeitnehmern sei das nicht bewusst, sagt Kopecek. Wie es überhaupt wichtig sei, in solchen Fällen die Regeln im jeweils anderen Land genauso zu erfragen: „Unternehmen haben da auch eine Informations- und Schutzpflicht gegenüber ihren Mitarbeitern.“

Anspruch auf gleichen Lohn

Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer virtuell für eine österreichische Firma arbeitet, gilt dasselbe: Er muss, sobald er im Zug dieser Tätigkeit auch nur auf Kurzbesuch nach Österreich kommt, ab dem ersten Tag hier Lohnsteuer zahlen – auch wenn er bei einem ausländischen Schwesterunternehmen auf der Gehaltsliste steht.

Zusätzlich ist das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping zu beachten: Kommt der Mitarbeiter aus einem Land mit einem niedrigeren Lohnniveau, muss er für die Zeit, die er physisch in Österreich verbringt, nach den hier geltenden Standards entlohnt werden. Meldepflichten kommen noch dazu; bei Dienstnehmern aus Nicht-EU-Ländern braucht man, streng genommen, sogar eine Beschäftigungsbewilligung.

In der Praxis sind solche Fälle häufig: Fast jeder „virtuelle Mitarbeiter“ lässt sich zumindest fallweise auch real in seinem Beschäftigerbetrieb blicken. Das wird sich künftig kaum ändern: Laut Fischlmayrs Untersuchungen hat gerade die Generation Y – trotz aller Affinität zu digitalen Medien – sehr klare Vorstellungen davon, „was virtuell machbar ist und wann man eben doch ein Gespräch face to face braucht“. Die Vorstellung, eine Zusammenarbeit ausnahmslos virtuell zu gestalten, verursache gerade bei den Jungen eher Unbehagen.

Detail am Rande: Wer einen „virtuellen Mitarbeiter“ im Ausland hat, kann in eine weitere steuerliche Falle tappen: Eventuell begründet man dadurch, ohne es zu wollen, eine Betriebsstätte in diesem Land. Dabei kommt es auf einige Kriterien an – man kann also auch versuchen, es zu vermeiden. „Wichtig ist aber, dass man sich dessen überhaupt bewusst ist“, sagt Kopecek.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2015)

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