Immofinanz-Urteil stellt Banker unter Generalverdacht

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Höchstgericht. Der OGH spricht von notorischer Häufung von Untreuedelinquenz in Banken. Der Bankenverband verwahrt sich dagegen.

Wien.Sechs Jahre Haft für Karl Petrikovics, 4,5 Jahre für Helmut Schwager: Am 20. Oktober bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Urteile des Erstgerichts im Immofinanz-Prozess. Dass es bei diesen hohen Strafen gegen den Erst- und Zweitangeklagten blieb, überraschte bei der Urteilsverkündung etliche Beobachter („Die Presse“ berichtete).

Jetzt liegt die Entscheidung schriftlich vor (11 Os 52/15d) – samt ausführlicher Begründung in Sachen Strafausmaß. Einmal mehr bekennt sich das Höchstgericht zu dem Grundsatz, dass es dabei nicht allein auf die Tatschuld ankommt, sondern generalpräventive Aspekte ebenso zu berücksichtigen sind. Das Erstgericht habe zu Recht solche Erwägungen in die Strafbemessung einfließen lassen. Die Passage, die dann folgt, stellt Banker quasi unter Generalverdacht: „Das notorische – und somit einer empirischen Untersuchung nicht bedürftige – gehäufte Auftreten von Untreuedelinquenz im Führungsbereich von Banken zwingt eine ernst zu nehmende Rechtsprechung geradezu, bei der Bekämpfung dieser Form von Kriminalität (. . .) für potenzielle Täter abschreckende, für Rechtstreue aber bestärkende Aspekte einfließen zu lassen“, heißt es da.

Nun mag sich das zwar mit der öffentlichen Wahrnehmung spektakulärer Bankenskandale decken, es gibt bislang aber nur eine Handvoll rechtskräftiger Untreue-Urteile aus dem Bankensektor (bei insgesamt 152 Verurteilungen wegen Untreue allein im Jahr 2014, siehe gerichtliche Kriminalstatistik). 643 heimische Banken waren zuletzt bei der Oesterreichischen Nationalbank gemeldet. Ob man da, anhand der bisherigen Verurteilungen, bereits von einem überproportionalen Auftreten von Untreuedelinquenz im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen sprechen kann, erscheint fraglich. Und lässt sich ohne empirische Untersuchung – die der OGH jedoch nicht für erforderlich hält – nicht feststellen.

„Pauschalverurteilung“

Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes, kann denn auch diese Aussage des OGH nicht nachvollziehen: „Die Sanktionierung von Verfehlungen Einzelner wird im Sinne einer Stärkung des Vertrauens in den Finanzplatz Österreich begrüßt, Pauschalverurteilungen einer gesamten Branche sind aber nicht angebracht“, sagt er zur „Presse“. Und verweist auf die „strenge Fit & Proper-Überprüfung, der die Geschäftsleiter von Banken durch die FMA bzw. seit 2014 auch durch die EZB unterzogen werden“. Dabei werde nicht nur die fachliche Eignung eines Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieds überprüft, es würden auch „strenge Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit der Person gestellt“. Darüber hinaus sei die Eignung nicht nur bei Antritt der Führungsposition, sondern laufend nachzuweisen. Auch bankintern würden die Eignungsanforderungen an Geschäftsleiter streng ausgelegt und seitens der Eigentümer der Institute hohe Anforderungen gestellt.

Stichwort Eigentümer: Um deren Schutz geht es beim Untreueparagrafen – nicht um den Schutz von Gläubigern, Kunden oder der Öffentlichkeit. Was die Frage aufwirft, ob bei der Strafwürdigkeit die Branche einen Unterschied machen kann. Wird es trotzdem künftig auch davon abhängen, wie stark generalpräventive Aspekte bei Untreue-Urteilen einfließen?

Das lässt sich nicht vorhersehen, klar ist aber, dass Erstgerichte sich bei der Verhängung hoher Strafen künftig leichter tun werden, wenn ein Banker auf der Anklagebank sitzt. Rechtsanwalt Otto Dietrich, der Petrikovics in dem Prozess verteidigt hat, meint dazu auf „Presse“-Anfrage, hier zeige sich einmal mehr, dass der Untreuetatbestand „keine für die Wirtschaft klaren Konturen hat“. Inwieweit sich das durch die Novelle künftig ändern werde, sei offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2015)

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