Hass online - Konsequenz offline

Facebook-CEO Mark Zuckerberg steht mit seinem sozialen Netzwerk in der Kritik, bei Hass-Postings seiner Nutzer wegzusehen.
Facebook-CEO Mark Zuckerberg steht mit seinem sozialen Netzwerk in der Kritik, bei Hass-Postings seiner Nutzer wegzusehen.(c) REUTERS (EDGAR SU)
  • Drucken

IT-Recht. Facebook geriet jüngst in heftige Kritik für nicht gelöschte fremdenfeindliche Postings. Der Fall wirft auch in Österreich Fragen im Spannungsfeld von Datenschutz und Meinungsfreiheit auf.

Wien.Wenn Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der mächtigste Mann in der Welt der sozialen Medien, sich vor Angela Merkel, der mächtigsten Frau auf der politischen Weltbühne, rechtfertigen muss, handelt es sich um keine Kleinigkeit: In den vergangenen Monaten setzten dem US-Konzern Politiker wie Aktivisten zu, weil Facebook Hasskommentare nicht gelöscht hatte. Das soziale Netzwerk würde bei verfänglichen Beiträgen zur Flüchtlingsdebatte einfach wegsehen, lautete der Vorwurf. Am Dienstag lenkte das soziale Netzwerk nach monatelanger Kritik überraschend ein und kündigte an, in Zukunft in Deutschland „Androhungen von physischer Gewalt als glaubhafte Drohungen“ einzuschätzen und zu entfernen. Es bleibt abzuwarten, ob es sich an dieses Zugeständnis halten wird. Der Streit wirft aber grundsätzliche Fragen auf: Wen zieht man hierzulande als Betroffener eines rufschädigenden Interneteintrags zur Rechenschaft? Oder anders gefragt: Welche Konsequenzen drohen Nutzern wie Konzernen bei rechtswidrigen Postings?

Haftungsprivilegierte

Zuallererst ist festzuhalten, dass Plattformbetreibern wie Facebook im österreichischen E-Commerce-Gesetz (ECG) ein Haftungsprivileg zugutekommt. Das heißt, als sogenannte Host Provider, die nur die Infrastruktur für die Inhalte anderer bereitstellen, sind sie aus dem Schneider, solange sie keine „tatsächliche Kenntnis“ von rechtswidrigen Tätigkeiten erlangen.

Da sie aber auch keine aktive Erkundigungspflicht trifft, müssen Host Provider von außen auf den Rechtsbruch aufmerksam gemacht werden – etwa durch die ermittelnde Staatsanwaltschaft oder den Betroffenen. Die Großkaliber unter den sozialen Netzwerken wie Facebook haben auch eigene Gemeinschaftsstandards eingerichtet. Verstöße können Nutzer in einer Beschwerdemaske an das Unternehmen melden und so ebenfalls Anstoß zur Löschung geben. Die Gemeinschaftsstandards laufen aber parallel zu nationalem Recht: In der Hass-Posting-Debatte wurde beispielsweise kritisiert, dass Facebooks Definition von Hetze die schutzwürdige Kategorie der Flüchtlinge nicht kennt. Michael Pachinger, Rechtsanwalt und Online-Datenschutzspezialist der Kanzlei SCWP Schindhelm rät: „Mehrstrahlig vorgehen und neben dem Missbrauchsmeldeformular ein Anwaltsschreiben an den Plattformbetreiber schicken.“

Einmal in Kenntnis gesetzt, kommt der bislang geschonte Host Provider nicht mehr um seine Pflichten herum: etwa die, den Beitrag im Fall eines Rechtsverstoßes zu löschen oder unzugänglich zu machen, den User zu sperren und den Behörden dessen Identität preiszugeben. Bertram Burtscher, Partner der Wirtschaftssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer, hält fest: „Sie sind in dieser Rolle nicht zu beneiden. Es gibt hier fast eine soziale Verantwortung, nicht in die Meinungsfreiheit einzugreifen.“ Natürlich gebe es eindeutige Kommentare, aber eben auch solche, „die so anstreifen“. Bei dieser nicht immer leichten Wertungsfrage agiere die Gesellschaft vor allem bei möglichen Rufschädigungen gespalten. Zeitungen nähmen tendenziöse Postings eher schnell aus ihren Onlineforen. „Die Googles und Facebooks dieser Welt handeln zurückhaltender. Das ist gut und nicht immer ein Fall von Bequemlichkeit. Ansonst bewegt man sich hin zu ethischen Fragen, die nicht unbedingt in den Kernbereich von Facebook und Co. fallen“, diagnostiziert der Anwalt.

Ist aber die Haftungsfreistellung des E-Commerce-Gesetzes einmal verloren und die Kooperation des Unternehmens auch nach Aufforderung nicht erfolgt, kann es auf zivilrechtlichem Weg auf die Herausgabe der Informationen, Löschung der Daten und allenfalls auf Schadenersatz geklagt werden.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft ging wegen nicht gelöschter ausländerfeindlicher Postings vor Kurzem noch einen Schritt weiter und dehnte ihre Ermittlungen auf drei Facebook-Manager am Deutschlandsitz wegen Beihilfe zur Volksverhetzung aus.

In Österreich, so Burtscher, brauche es bei dem Vorsatzdelikt Verhetzung für die Strafverfolgung eines potenziellen Beitragstäters auch bei diesen Indizien zumindest bedingten Vorsatz – „das halte ich für eine hohe Hürde“. Außerdem schritten Staatsanwaltschaften in einem relativ frühen Stadium der Strafverfolgung ein und würden ihre Ermittlungen öfters ergebnislos fallen lassen. Aber: „Eine gewisse Signalwirkung hat das trotzdem.“

Geheimhaltungsrecht verspielt

Im zweiten Schritt kann der Betroffene sich nach dem österreichischen Datenschutzgesetz (DSG) bei herabwürdigenden Facebook-Postings an denjenigen wenden, der sie in die Welt gesetzt hat und von ihm die Richtigstellung oder Löschung verlangen. Jedoch betont IT-Rechtsexperte Burtscher: „Bei Facebook-Postings handelt es sich in ganz vielen Fällen um bereits veröffentlichte persönliche Daten.“ Wenn von einer Person beispielsweise ein verfängliches Partyfoto im Internet kursiert, das jemand anderer mit einem Kommentar versehen auf Facebook stellt, habe man sein „Interesse an Geheimhaltung herabgemindert“ und sich aus dem DSG-Schutzbereich herausgespielt. Die zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzrechte stehen mit ihren Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen aber nach wie vor offen.

Posting als Entlassungsgrund

„Auf einem anderen Blatt steht, wie die Arbeitgeber mit ihren Mitarbeitern umgehen“, ergänzt Michael Pachinger. Die Fälle einer leitenden Spar-Angestellten und eines Porsche-Lehrlings gingen in den vergangenen Monaten durch die Medien: Beide mussten aufgrund fremdenfeindlicher Facebook-Kommentare ihren Arbeitsplatz räumen. Der Arbeitnehmer könne, so Burtscher, durch seine Betätigung im Netz den Entlassungsgrund des „gravierenden Vertrauensverlusts“ setzen. Viele Arbeitgeber zögen aber aufgrund der bei Entlassungen strengen Messlatte Kündigungen zur Beendigung des Dienstverhältnisses vor. Hier bleiben den Arbeitnehmern viele Ansprüche erhalten, die im Entlassungsfall gestrichen würden. Burtscher sieht im Jobverlust eine „durchaus relevante Sanktion – man erkennt, dass Unternehmen Verantwortung aufnehmen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.