Die Konsequenzen der OGH-Entscheidung

(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Vertikale Preisbindungen sind ein „Kernverstoß“, stellte der OGH klar. Und auch, dass hohe Bußgelder drohen.

Wien.Im Rechtsstreit zwischen Spar und den Wettbewerbshütern gab es vergangenen Oktober einen Knalleffekt: Der OGH verzehnfachte die vom Kartellgericht verhängte Geldbuße von drei auf 30 Millionen Euro. Dabei ging es nur um eine Produktgruppe von vielen, nämlich Molkereiprodukte.

Spar wollte Rechtssicherheit – in gewisser Hinsicht gibt es diese nun, allerdings weitgehend im Sinne der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Insbesondere bestätigte das Höchstgericht, dass es sich bei vertikalen Preisbindungen um „Kernverstöße“ handelt, bei denen es auf weitere Umsetzungshandlungen und Marktauswirkungen gar nicht mehr ankommt. Wo ist nun aber die Grenze zwischen erlaubt und verboten? „Einkaufspreisverhandlungen sind natürlich legitim“, sagen die für die Causa zuständigen Juristen der BWB, Anastasios Xeniadis und Luca Schicho, im Gespräch mit der „Presse“. Hier sei es jedoch um mehr als das gegangen: Es habe ein Gesamtsystem gegeben, um für den Einzelhändler die Spanne sicherzustellen. Durch „Preismoderation“ seitens der Lieferanten habe man versucht, ein einheitliches Preisniveau zu erreichen. Im Ergebnis sei das ähnlich wie eine klassische Absprache zwischen Mitbewerbern. Es könne keinen Unterschied machen, ob man Verkaufspreise direkt aushandelt oder diese indirekt über Lieferanten abstimmt.

Über die Lieferanten wurde auch auf andere Händler Einfluss genommen. Letztlich habe es sich um ein vertikales System mit starken horizontalen Elementen gehandelt, sagt die BWB. Horizontal bedeutet: Preisabstimmungen auf derselben Ebene, im konkreten Fall zwischen den Einzelhändlern. Direkt zwischen diesen hat es wohl keine Absprachen gegeben – jenen mit wenig Marktmacht wurde jedoch indirekt ausgerichtet, welche Preisgestaltung von ihnen erwartet wird (siehe auch Artikel links). Dass die Lieferanten – und genauso Händler mit schwächerer Marktposition – selbst unter Druck standen und nur Mitläufer waren, sei in deren Causen bei der Bußgeldbemessung berücksichtigt worden, sagen die BWB-Juristen. „Auch ein bloßer Mitläufer begeht formal gesehen einen Verstoß“, so Xeniadis.

Die OGH-Entscheidung im Fall Spar sei als Signal zu sehen, „dass bei Kernverstößen mit hohen Geldbußen zu rechnen ist“, heißt es seitens der Behörde. Die Geldbuße sei mehr als bloß eine Strafe: Sie solle auch einen Abschöpfungseffekt haben, damit sich Preisabsprachen nicht mehr auszahlen.

Und was haben die Konsumenten davon? Mittelbar profitieren sie vielleicht von der abschreckenden Wirkung. Schadenersatz geltend zu machen ist bei solchen schwer zu beziffernden Streuschäden jedoch in der Praxis illusorisch, das räumt auch die Wettbewerbsbehörde ein.

Bereits im Vorjahr gab die BWB einen „Standpunkt zu vertikalen Preisbindungen“ heraus; dieser werde inzwischen auch von Unternehmen in Deutschland als Grundlage für deren Compliance-Maßnahmen herangezogen. Die deutsche Industrie habe an das dortige Bundeskartellamt herangetragen, es möge doch ebenfalls Leitlinien für vertikale Preisbindungen herausgeben, sagt Natalie Harsdorf, stellvertretende Geschäftsstellenleiterin der BWB. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, habe angekündigt, „in Anlehnung an das österreichische Vorbild solche zu publizieren“.

„Zulässige Verteidigung“

Und Spar? Wurde der Konzern letztlich dafür abgestraft, dass er bis vors Höchstgericht zog? Nein, sagt der OGH, nur 3,5 Prozent der Bußgeld-Obergrenze seien ausgeschöpft wurden. Das Verhalten des Konzerns im Verfahren habe sich „auf zulässige Rechtsverteidigung beschränkt“ und bilde keinen Erschwerungsgrund. Das Höchstgericht stellt aber auch klar, dass andere Bußgeldentscheidungen aus der Branche, speziell im Fall Rewe, keine Aussagekraft haben: Sie unterlagen, weil in Settlement-Verfahren verhängt, keiner Überprüfung durch den OGH. Das Gericht konnte hier auch gar nicht über die von der BWB beantragten Geldbußen hinausgehen. Fazit: Ohne Settlement wäre es wohl auch in diesen Fällen teurer geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.