Ab 2019 steht jedes Flugzeug in der Bilanz

Kondensstreifen am Himmel
Kondensstreifen am Himmel(c) BilderBox (BilderBox.com)
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Bilanzierung. Für Leasingnehmer, die nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) bilanzieren, ändert sich in Zukunft alles. Anders als bisher, muss bald jede Art des Leasings in der Bilanz aufscheinen. Eine Neuerung mit Folgen.

Wien. „Ich möchte einmal in einem Flugzeug fliegen, das in der Bilanz seiner Airline auch enthalten ist“, pflegte Sir David Tweedie. der ehemalige Vorsitzende des International Accounting Standards Board (IASB, siehe Infobox), zu sagen. Ab 1. Jänner 2019 wird Tweedies Wunsch in Erfüllung gehen.

Am 13. Jänner 2016 hat das IASB in London den neuen IFRS-Leasingstandard veröffentlicht. Er wird in der Branche als „the biggest-ever accounting change“ (die größte jemals erfolgte Änderungen in der Rechnungslegung) bezeichnet.

Ein Blick zurück: Seit 2005 kämpfen die IASB und ihr US-amerikanisches Pendant, das Financial Accounting Standards Board (FASB), gemeinsam dafür, dass die Leasingverträge von Leasingnehmern umfassend in den Bilanzen ausgewiesen werden. Das war bisher nicht der Fall.

Je nachdem, für welche Form des Leasings sich ein Unternehmen entschied, konnte es beeinflussen, ob es die dafür anfallenden Zahlungsverpflichtungen in der Bilanz auswies oder nicht. Kaufähnliche Leasingverträge (sogenanntes Finanzierungsleasing) waren unter Vermögen und Schulden in der Bilanz zu erfassen. Wenn sich das Unternehmen jedoch dazu entschied, den Geschäftsfall als ein sogenanntes Operating Leasing zu behandeln, war die Sache anders. Operating Leasing ist der Miete ähnlich und muss als schwebendes Geschäft nicht in der Bilanz, sondern nur im Anhang erwähnt werden.

Blinde Flecken in den Bilanzen

Und weshalb soll es damit nun vorbei sein? „Die Motivation dafür ist grundsätzlich nachvollziehbar: Die Miet- und Leasingverpflichtungen börsennotierter Unternehmen summieren sich weltweit auf rund 3,3 Billionen US-Dollar“, sagt Klemens Eiter, Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. „Und mehr als 85 Prozent davon sind nicht in den Bilanzen der betroffenen Unternehmen zu finden.“ Der nun beschlossene Bilanzierungsstandard IFRS 16 ändert das radikal. „Künftig sind alle Miet- und Leasingverträge mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Monaten in der Bilanz des Mieters beziehungsweise des Leasingnehmers abzubilden“, sagt Eiter. Ausgenommen davon sind nur Leasingverträge für geringwertige Vermögensgegenstände wie etwa Mobiltelefone, PCs und kleinere Büromöbel.

Kennzahlen ändern sich

Welche Auswirkungen die neuen Bilanzierungsregeln auf Unternehmen haben werden, darüber scheiden sich die Geister unter den Experten. Dass sich wichtige Kennzahlen ändern werden, darüber scheint Einigkeit zu bestehen. Der Verschuldungsgrad und die Zinsbelastung werden steigen, während die Eigenkapitalquote in den IFRS-Bilanzen der Leasingnehmer sinken wird.

Dennoch glaubt die IASB nicht, dass sich die Finanzierungskonditionen für die Unternehmen verschlechtern könnten. Denn Banken und Finanzinstitute hätten ausstehende Leasingverpflichtungen auch jetzt schon in ihren Analysen berücksichtigt. Die künftige Darstellung der Leasingverträge in der Bilanz beseitige nur Unsicherheiten bei der Analyse. „Andere Studien sehen hingegen sehr wohl Wahrnehmungsdefizite für derzeitige Off-balance-Leasingverträge im Rahmen der Bonitätsanalyse“, so Eiter. Er befürchtet, dass Unternehmen bestrebt sein werden, die „blinden Flecken“ erst gar nicht bilanzieren zu müssen, und deshalb zuvor ihre Schulden reduzieren werden. Das heißt gleichzeitig, dass sie ihre Aktivitäten in anderen Bereichen einschränken müssen, was wiederum wirtschaftsdämpfende Effekte haben wird.“

Allerdings sind nicht alle Unternehmen in gleicher Weise von der neuen Leasingbilanzierung betroffen. Es gibt Branchen, in denen diese Finanzierungsform weit mehr zum Alltag gehört, als dies bei anderen der Fall ist. Massiv ist der Handel betroffen, denn die meisten Unternehmen mieten ihre Verkaufsflächen an. Große Ausnahme ist die Lebensmittelkette Hofer, denn sie ist überwiegend Eigentümer ihrer Filialen. Alle anderen müssen jedoch bald die Mietverhältnisse und die Verpflichtungen dafür bilanzieren. „Für börsenotierte Handelsunternehmen errechnet das IASB in seiner Studie eine Ausweitung der Bilanzsumme von rund 21,4 Prozent. Der Verschuldensgrad werde sich von 48 Prozent auf 126 Prozent erhöhen“, sagt Eiter. Ähnlich stark wie der Handel sind Fluglinien von der neuen Leasingbilanzierung tangiert, denn der überwiegende Anteil der Fluggesellschaften hat ihre Flugzeuge geleast.

Die neuen Regeln gelten verpflichtend für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen. Allerdings haben sich in den vergangenen Jahren auch viele andere Unternehmen freiwillig den IFRS-Standards unterworfen, sodass auch sie von den Änderungen betroffen sind.

Leasing verliert an Attraktivität

Mindestens genauso sehr wie Leasingnehmer sind auch die Leasinggeber von den Neuerungen betroffen. Mit der Erfassung in der Bilanz verliert das Leasing ein wichtiges Argument als Finanzierungsform. „Will das Leasing seine Attraktivität als Finanzierungsinstrument erhalten, müssen künftig wohl andere Vorteile des Leasings verstärkt beworben werden. Ansonsten wird der klassische Kredit wieder gefragter sein.“ Ob sich der Leasingmarkt dauerhaft verändern wird, lässt sich dennoch erst in einigen Jahren sagen. Die neuen Regeln treten mit 1. Jänner 2019 in Kraft.

AUF EINEN BLICK

IFRS: International Financial Reporting Standards sind internationale Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen, die vom IASB herausgegeben werden. Sie sollen losgelöst von nationalen Rechtsvorschriften die Aufstellung international vergleichbarer Jahres- und Konzernabschlüsse regeln. Die IFRS werden von zahlreichen Ländern zumindest für kapitalmarktorientierte Unternehmen vorgeschrieben.

IASB: Das International Accounting Standards Board ist ein unabhängiges privatwirtschaftliches Gremium von Rechnungslegungsexperten, das die IFRS entwickelt und überarbeitet.

Operating Leasing: Dabei erwirbt der Leasingnehmer ein kurzfristiges, meist jederzeit kündbares Nutzungsrecht an dem Leasingobjekt. Im Wesentlichen entspricht es einer Miete und musste daher als schwebendes Geschäft nicht in der Bilanz dargestellt werden.

Finanzierungsleasing: gleicht eher einem fremdfinanzierten Kauf und musste als Vermögenswert in den Aktiva und als Verbindlichkeit in den Passiva abgebildet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2016)

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