Aktiengesellschaften: Heute Vorstand, morgen Aufsichtsrat

Manager krempelt die Aermel hoch
Manager krempelt die Aermel hoch(c) BilderBox (BilderBox.com)
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Wie gut kann ein Aufsichtsrat, der zuvor Vorstand einer AG war, seiner Kontrollfunktion gerecht werden? Eine Frage, bei der sich die Geister scheiden.

Wien. Peter Weinzierl trat Anfang Dezember 2015 als Vorstand der Meinl Bank von sich aus zurück. Eine Woche später wurde er in den Aufsichtsrat der Bank bestellt und soll als solcher die Tätigkeiten des neuen Vorstands überwachen.

Der fliegende Wechsel vom Vorstandsmitglied in das Kontrollgremium ist kein Einzelfall und in Weinzierls Fall auch rechtlich gedeckt. Nichtsdestotrotz halten Kritiker generell den Tausch der Funktionen für inkompatibel. Ein potenzieller Interessenkonflikt sei programmiert, so ihr Argument. „Wie soll der Ex-Vorstand seine eigenen Managemententscheidungen kritisch überprüfen?“, fragt der Gesellschaftsrechtsexperte Clemens Spitznagel. „Niemand kann seine Kontrollfunktion von sich selbst abstrahieren.“

Wie auch in Deutschland fanden diese Bedenken Berücksichtigung, und zwar sowohl im österreichischen Corporate-Governance-Kodex als auch im österreichischen Aktienrecht. Seit 2012 sieht § 86 Abs. 4 Aktiengesetz eine sogenannte Cooling-off-Periode von zwei Jahren vor. Das Verstreichen dieses Zeitraums soll bewirken, dass der Vorstand Abstand zu „seinem“ Unternehmen gewinnt.

Genau darüber sind aber viele Aktionäre nicht glücklich. Ihnen ist es ein Anliegen, dass der Vorstand als derjenige, der das Unternehmen am besten kennt, demselben auch erhalten bleibt und es ohne Pause mit Rat und Tat im Aufsichtsrat unterstützt. Das ist wohl einer der Gründe, weshalb sich der Gesetzgeber schlussendlich für eine sehr eng gefasste Regelung entschieden hat: „Die Cooling-off-Periode gilt nicht für alle Aktiengesellschaften (AG), sondern nur für börsenotierte – und damit nur für einen sehr kleinen Teil der österreichischen AG“, so Rechtsanwalt Spitznagel. Und selbst von dieser Bestimmung gibt es noch eine Ausnahme: „Der direkte Wechsel eines Vorstandes in den Aufsichtsrates ist auch bei börsenotierten Unternehmen möglich, wenn 25 Prozent der Aktionäre ihn befürworten.“ Doch das ist gar nicht der Punkt, der Spitznagel stört.

Man habe bei der Bestimmung vergessen, auf die Situation, die für österreichische Aktiengesellschaft spezifisch ist, Rücksicht zu nehmen. In kleineren AG mit wenigen Gesellschaftern komme es immer wieder vor, dass der Vorstand eines Tages diese Funktion nicht mehr ausüben will, seinen Schreibtisch räumt und sich im Nebenzimmer als Aufsichtsrat niederlässt. „Faktisch ändert sich damit jedoch häufig gar nichts. Die Belegschaft sieht ihn weiter als Boss an, und sehr oft trifft er auch tatsächlich weiterhin ganz selbstverständlich die operativen Entscheidungen“, so Spitznagel. „Genau das ist aber nicht die Aufgabe des Aufsichtsrates.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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