Wer miese Noten gibt, muss sich prüfen lassen

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Deutscher Zahnarzt siegt gegen Bewertungsportal.

Was gibt es Schöneres, als seinem Ärger auf einem Online-Bewertungsportal Luft zu machen – egal, ob ein Kellner unfreundlich war, ein Handwerker gepfuscht hat oder ein Arzt sich keine Zeit nehmen wollte. Was ist aber auch einfacher, als einen unliebsamen Konkurrenten durch ein anonymes Nicht genügend das Geschäft zu vermiesen. Solchem Missbrauch hat nun der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) einen ersten Riegel vorgeschoben. Der Fall: Ein anonymer Nutzer hatte einen Zahnarzt auf dem Portal Jameda vernichtend benotet.

Der Mediziner war überzeugt, ihn nie behandelt zu haben, und verlangte die Löschung des Eintrags. Jameda weigerte sich. Die höchste Instanz gab dem Kläger recht: Das Portal hätte den Nutzer auffordern müssen, die Behandlung zu beschreiben und Belege zu liefern, etwa Rezepte. Die Unterlagen hätten anonymisiert an den Arzt gehen sollen. Zwar müssen Portale schon seit 2011 Beschwerden intern nachgehen. Aber das damalige Urteil war zahnlos. Denn Verleumdete mussten sich mit einem wenig hilfreichen „Wir haben es geprüft, ist eh alles o. k.“ zufriedengeben.

Können sich nun auch Hotels oder Geschäfte leichter gegen missbräuchliche Verrisse wehren? Das sollte erst die lange Urteilsbegründung weisen. Unterschiede gibt es: Ärzte (oder Lehrer) haben Persönlichkeitsrechte, Patienten ein besonders berechtigtes Interesse, anonym zu bleiben. Auf jeden Fall sollte das Urteil ein Signal für Österreich sein, wo es dazu noch keine Judikatur gibt. Nur eines steht schon fest: Wie in Deutschland hat ein Arzt keine Chance, wenn er auf einem Portal gar nicht aufscheinen will. Das öffentliche Interesse hat Vorrang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2016)

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